ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
keine Lust heute allein zu feiern.«
»Ah, 'ne kleine Privatfeier - verstehe!« Routiniert griff sie zur Hausmarke, in der anderen Hand hielt sie zwei Sektkelche. »Oder lieber ´ne Nummer besser?«
»Nein, Marischa, diesmal keinen Alkohol. Heute muss ich alle Sinne beisammen halten.« Die Barfrau zog eine Augenbraue hoch, zuckte mit der Schulter und goss ihr ein Mineralwasser ein. Dennoch konnte sie sich einen Kommentar nicht verkneifen: »Privatfeier, und das mit Mineralwasser ... demnächst treten hier noch die Regensburger Domspatzen auf. Nee, Nelli, also wirklich! Det verstehe wer will, icke nich. Wat haste mit dener Hand jemacht?«, verfiel sie jetzt in bestes Berlinerisch. Sie deutete auf Neles Verband, während sie hektisch mit einem Geschirrtuch Wasserflecken von Gläsern rieb, die Ohren noch immer auf Empfang. Hoffend, dass Nele sich zu einer Erklärung herabließ.
Die tat ihr den Gefallen. »Nur ein bisschen verbrannt. Das mit dem Mineralwasser, das hat schon seine Richtigkeit, Marischa. Es gibt Momente im Leben, da muss man die höchsten Freuden in völliger Klarheit genießen.«
»Aha ...« Man sah der Barfrau an, dass sie das nicht verstand, und da Nele auch keine Anstalten machte fortzufahren, wandte sie sich wieder anderen Arbeiten zu.
Nele sah sich um. Die meisten Frauen kannte sie und wusste, dass die in festen Händen waren. Das Revier war wirklich leer, noch keine Beute weit und breit. Sie hatte dies vorausgesehen, und das war für ihr heutiges Experiment auch wichtig.
Sie schloss die Augen ein wenig und konzentrierte sich auf ihren Talisman. Fast umgehend nahm sie dessen wohlige Wärme auf der Haut war. Sie stellte sich vor, dass sie heute Abend mit zwei Küken dieses Etablissement zeitig verlassen würde, um in ihrem Penthouse die angesprochenen höchsten Freuden zu erleben.
Dabei konnte sie keine Schwächung ihrer Mentalpower durch Alkoholeinwirkung gebrauchen. Sie hatte Zuhause schon alle Vorbereitungen für eine einzigartige Nacht getroffen. Für den nächsten Tag hatte sie sich einen Tag frei genommen.
Es würde sicherlich nicht lange dauern, bis die Realität sich ihrem Wunsch beugen und die Küken zu ihr führen würde. Über diese Wirkung des Dodekaeders wunderte sie sich bereits nicht mehr, sondern nahm sie einfach als gegeben hin. Dieses neue Zeitalter war echt der Hammer! Besser ging es nicht. Bei diesen inspirierenden Gedanken straffte sie ihren noch immer schlanken, durch das tägliche Lauftraining gut konturierten Körper und setzte sich auf dem Barhocker in Szene.
Sie musste sich fast eine Viertelstunde in Geduld üben, bis die nächsten Gäste eintrudelten. Mehrere Frauengruppen füllten nun laut schwatzend und kichernd die Bar. Nele war nicht überrascht, dass sie keine von denen kannte, denn sie hatte schließlich Frischfleisch bestellt. Bis alle an den zusammengeschobenen Tischen Platz fanden, verging eine kleine Weile. Für gewöhnlich bargen Gruppen kein besonders gutes Pirschpotenzial, da die Frauen sich meist nur in ihrer Gruppe 'sicher' fühlten und deshalb, wegen des Gruppendrucks, nur selten Wagnisse eingingen.
Nun denn! Je stärker die Herausforderung, desto größer der Spaß. Nele schloss die Augen erneut zu einem schmalen Spalt und griff sich an den Hals. Sie ertastete die neue, zweite Goldkette, die eng an ihrer Kehle anlag und zog sie nach vorn. Sie spürte, wie das von ihr gefertigte, gleichmäßige Fünfeck aus Golddraht ihren Rücken herauf rutschte, ergriff es und platzierte es nun um den Dodekaeder. Sie hatte die Länge der Kette so gewählt, dass das Goldpentagon den Quarz genau mittig einrahmte. Sofort nahm sie die Veränderung hinter ihrem Brustbein wahr, denn augenblicklich erlosch das vertraute Vibrationsgefühl. Das überraschte und enttäuschte Nele, denn sie hatte vielmehr eine Steigerung und Verstärkung erwartet.
Während Marischa noch die Bestellung aufnahm, sah Nele trotzdem erste Resonanz in der Gruppe. Zwei der höchstens fünfundzwanzig Jahre alten Frauen warfen ihr verstohlene Blicke zu. Sie tat so, als bemerke sie nichts davon. Nun hatten ihre Wünsche zwei definierte Zielobjekte.
Neles Mund verzog sich spöttisch. Diesmal wollte sie nicht nur das Ziel ihrer Wünsche fokussieren und das Schicksal machen lassen, diesmal wollte sie die Regie auch in den Einzelszenen führen. Ihr heutiges, zunächst als misslungen erachtetes, Workshop-Experiment hatte sie dazu
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