Zeitlose Zeit
Wie der Preis, den ihr in eurem Laden für den Kaffee verlangt. Einfach schrecklich. Wer kassiert da ab?«
Sie diskutierten darüber. Der Nachmittag verging langsam und schläfrig, und es geschah wenig oder nichts.
Um fünf Uhr, als Margo Nielson hastig Mantel und Autoschlüssel nahm und das Haus verließ, war Sammy nirgends zu sehen. Sicher war er irgendwo beim Spielen. Aber sie konnte sich nicht die Zeit nehmen, ihn zu suchen; sie mußte Vic sofort abholen, oder er würde meinen, sie käme nicht, und mit dem Bus heimfahren.
Sie eilte ins Haus zurück. Ihr Bruder, der im Wohnzimmer saß und Dosenbier trank, hob den Kopf und murmelte: »Schon wieder da?«
»Bin noch gar nicht weg«, sagte sie. »Ich kann Sammy nicht finden. Würdest du die Augen offenhalten, während ich weg bin?«
»Gewiß«, sagte Ragle. Aber sein Gesicht zeigte solche Müdigkeit, daß sie augenblicklich nicht mehr ans Weggehen dachte. Seine Augen, angeschwollen und rotgerändert, richteten sich zwingend auf sie; er hatte die Krawatte abgelegt, die Ärmel hochgerollt, und beim Trinken zitterte sein Arm. Die Unterlagen und Notizen für seine Arbeit lagen überall im Wohnzimmer kreisförmig um ihn herum ausgebreitet. Er konnte nicht einmal hinaus; er war umzingelt. »Vergiß nicht, ich muß das bis sechs Uhr zur Post gebracht und abgestempelt haben«, sagte er.
Seine Ordner bildeten vor ihm einen schiefen, wackeligen Stapel. Er sammelte das Material schon seit Jahren. Nachschlagewerke, Diagramme, Tabellen, und alle Wettbewerbs-Einsendungen, die er früher schon abgeschickt hatte, Monat für Monat ... er hatte sie schon auf verschiedene Weise so reduziert, daß er sie studieren konnte. Im Augenblick benutzte er, was er seinen ›Sucher‹ nannte. Es ging dabei um lichtundurchlässige Kopien von seinen Einsendungen, auf denen ein Lichtpunkt aufblitzte. Wenn er die Einsendungen in ihrer Reihenfolge vorbeifliegen ließ, konnte er den Punkt in Bewegung sehen. Er hüpfte hinein und hinaus, auf und ab, und für ihn erzeugten die Bewegungen ein Muster. Für Margo zeigte sich niemals ein Muster. Aber das war der Grund, weshalb er gewinnen konnte. Sie hatte ein paarmal am Wettbewerb teilgenommen und nichts gewonnen.
»Wie weit bist du?« fragte sie.
»Nun, die Zeit habe ich schon festgelegt. Vier Uhr nachmittags. Jetzt brauche ich nur noch ...«, er schnitt eine Grimasse, »... den Ort zu finden.«
Auf dem langen Sperrholzbrett war die heutige Aufgabe in der offiziellen, von den Zeitungen gelieferten Form befestigt. Hunderte winziger Quadrate, senkrecht und waagrecht numeriert. Ragle hatte das Zeitelement gefunden. Es war das Kästchen 344; sie sah die rote Stecknadel an dem Punkt stecken. Aber der Ort. Das war offenkundig schwieriger.
»Steig für ein paar Tage aus«, drängte sie. »Ruh dich aus. Du hast dich in den letzten zwei Monaten zu sehr angestrengt.«
»Wenn ich aussteige«, sagte Ragle und kritzelte mit seinem Kugelschreiber, »falle ich ein ganzes Stück zurück. Ich verliere ...« Er zuckte die Achseln. »Verliere alles, was ich seit dem 15. Januar gewonnen habe.« Mit einem Rechenschieber kalkulierte er zusammenstrebende Linien.
Jede Einsendung, die er abgab, wurde zu einem weiteren Datum in seinen Unterlagen. Und so, hatte er ihr erklärt, verbesserten sich jedesmal seine Aussichten, das Richtige zu treffen. Je mehr er hatte, desto einfacher war es für ihn. Aber ihr kam es so vor, als fiele es ihm immer schwerer. Warum? hatte sie ihn einmal gefragt.
»Weil ich es mir nicht leisten kann zu verlieren«, hatte er erklärt. »Je öfter ich die richtige Lösung habe, desto mehr muß ich investieren.« Der Wettbewerb schleppte sich dahin. Vielleicht hatte er sogar schon die Übersicht verloren, wieviel er investiert hatte, wie hoch seine Gewinne waren. Er gewann immer. Das war ein Talent, und er hatte es genutzt. Aber sie war eine schwere Last für ihn, diese tägliche Mühe, die als Spaß begonnen hatte, oder bestenfalls als eine Methode, durch geschicktes Raten ein paar Dollar zu verdienen. Und jetzt konnte er nicht mehr aufhören.
Das wollen sie wahrscheinlich, dachte sie. Sie fangen dich ein, und du erlebst es vielleicht nie, daß du kassierst. Aber er hatte kassiert; die ›Gazette‹ bezahlte ihn für seine Einsendungen regelmäßig. Sie wußte nicht, auf wieviel das hinauslief, aber anscheinend waren es an die hundert Dollar in der Woche. Jedenfalls konnte er davon leben. Aber er arbeitete zuviel – mehr als in einer festen Stellung. Von
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