Zeitoun (German Edition)
war, und die Hunde wurden noch hysterischer. Dann, als er den Flur betrat, sah er sie: zwei Hunde, ein schwarzer Labrador und ein kleinerer Mischling, in einem Käfig. Sie hatten kein Futter, und ihr Wassernapf war leer. Sie schienen so verstört, dass sie ihn vielleicht beißen würden, aber er zögerte nicht. Er öffnete den Käfig und ließ sie hinaus. Der Labrador rannte an ihm vorbei und aus dem Raum. Der kleinere Hund kauerte im Käfig. Zeitoun trat beiseite, um ihm Platz zu machen, doch das Tier blieb, wo es war.
Der Labrador konnte nirgendwohin. Er rannte zur Treppe, doch das Wasser reichte bis wenige Zentimeter unter den ersten Stock. Er wandte sich zu Zeitoun um, und der hatte eine Idee.
»Wartet hier«, sagte er.
Er ging zurück über die Planke, kletterte den Baum hinunter in sein Kanu und paddelte zu seinem Haus. Dort stieg er aufs Dach, schlüpfte durchs Fenster und ging die paar Stufen hinunter, die nicht unter Wasser standen. Er wusste, dass Kathy immer Fleisch und Gemüse in der Tiefkühltruhe hatte, also bückte er sich, holte zwei Steaks heraus und schloss die Tür rasch wieder, damit von der Restkälte möglichst wenig entwich. Er ging zurück aufs Dach, nahm zwei Wasserflaschen und warf sie zusammen mit den Steaks ins Kanu. Er kletterte hinterher und kehrte zum Haus der Hunde zurück.
Wieder spürten sie, dass er näher kam, und diesmal warteten sie beide am Fenster, reckten die Köpfe über den Sims. Als sie das Fleisch rochen, obwohl es noch gefroren war, begannen sie, wild zu bellen und mit den Schwänzen zu wedeln. Zeitoun füllte ihren Wassernapf auf, und sie stürzten sich darauf. Nachdem sie sich satt getrunken hatten, machten sie sich über die Steaks her, kauten darauf herum, bis das Fleisch taute. Zeitoun sah ihnen einige Minuten zu, müde und zufrieden, bis er wieder Gebell von draußen hörte. Es gab noch mehr Hunde, und er hatte eine Tiefkühltruhe voller Futter. Er kehrte zu seinem Haus zurück, um es zu holen.
Er füllte das Kanu mit Fleisch und machte sich auf die Suche nach den anderen zurückgelassenen Tieren. Er hörte ein gedämpftes Bellen, das ganz aus der Nähe des Hauses zu kommen schien, in dem er die ersten beiden Hunde gefunden hatte.
Er paddelte näher heran, fragte sich, ob da tatsächlich noch ein dritter Hund war. Er vertäute das Kanu wieder an dem Baum, nahm zwei Steaks und kletterte hoch. Diesmal schaute er von einem Ast auf halber Höhe zum Nachbarhaus hinüber, dem auf der linken Seite, und dort sah er zwei weitere Hunde, die an einem Fenster gegen die Scheibe sprangen.
Er zog die Planke von dem ersten Haus weg und schob sie zu dem anderen hinüber. Als die Hunde ihn kommen sahen, drehten sie völlig durch, sprangen laut bellend auf der Stelle.
Kurz darauf hatte er das Fenster geöffnet und stieg ein, umlagert von den beiden Hunden. Er warf ihnen die zwei Steaks hin, und die Hunde stürzten sich darauf, vergaßen ihn völlig. Er musste auch ihnen Wasser geben, also paddelte er noch einmal nach Hause und holte neue Wasserflaschen und einen Napf.
Zeitoun ließ das Fenster einen Spalt offen, damit die Hunde frische Luft bekamen, dann ging er wieder über die Planke und kletterte den Baum hinunter ins Kanu. Er paddelte davon und dachte, dass es an der Zeit war, Kathy anzurufen.
Während er paddelte, fiel ihm die zunehmende Verschmutzung des Wassers auf. Es war jetzt dunkler, trübe, von Öl- und Benzinschlieren durchzogen, voller Trümmerteile, Lebensmittel, Müll, Kleidung. Aber Zeitoun war in Hochstimmung. Er fühlte sich richtig aufgekratzt, weil er den Hunden hatte helfen können, weil er für diese Tiere da gewesen war, und vier Hunde, die höchstwahrscheinlich verhungert und verdurstet wären, würden nun überleben, weil er in der Stadt geblieben war und weil er dieses alte Kanu gekauft hatte. Er brannte darauf, Kathy davon zu erzählen.
Gegen Mittag war er wieder in dem Haus an der Claiborne. Heute war Todd fort und das Haus leer. Er ging hinein und wählte Kathys Nummer.
»Oh, Gott sei Dank!«, sagte Kathy. »Gott sei Dank Gott sei Dank Gott sei Dank. Wo warst du denn?« Sie und die Kinder waren noch immer unterwegs nach Houston. Sie hielt am Straßenrand.
»Weswegen hast du dir Sorgen gemacht?«, fragte Zeitoun. »Ich hab gesagt, ich würde mittags anrufen. Es ist Mittag.«
»Wer war der Mann?«, fragte sie.
»Welcher Mann?«, fragte er.
Sie erklärte, dass sie schon einmal vormittags angerufen und jemand anderes sich gemeldet hatte. Das
Weitere Kostenlose Bücher