Zeitriss: Thriller (German Edition)
Bild von ihr vor seinem Gesicht und er müsste sich ständig ermahnen, es zu ignorieren. Keine erfolgreiche Strategie, das wusste er aus Erfahrung. Erst als er dem Professor drohte, ihn aus dem Projekt auszuschließen und nach Pacifica zurückzuschicken, war das Thema beendet. Seitdem schmollte der kleine Mann in übelster Weise, redete kaum und verhielt sich insgesamt ablehnend. Für ein selbst ernanntes Genie war das ziemlich kindisch, doch nach allem, was Wilson im Mercury-Team bisher erlebt hatte, war das ein generelles Merkmal der Hochbegabten.
Offenbar war es einer Frau, ob ihre Motive nun lauter waren oder nicht, relativ leicht gelungen, einen Keil zwischen Wilson und den Professor zu treiben. Aber war die Situation, in der sich Wilson jetzt befand, durch Minervas Manipulation entstanden oder hatte er das Desaster selbst zu verantworten? Handelte sie auf Anweisung oder aus eigenem Antrieb? Da er gerade stark unter Druck stand und zur Geheimhaltung gezwungen war, würde es schwerfallen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Davin wandte sich von seinem Computer ab und sah zu Andre hinüber. »Wie sieht die Testsequenz aus?«
Andre nickte. »Perfekt.«
»Okay, Leute, das wäre geschafft«, sagte Davin, die Finger auf der Hauptkonsole. »Alles abschalten und noch mal von vorn.«
Oben auf dem Beobachtungsstand blickten alle zwölf Teammitglieder vor sich auf den Bildschirm. Nur Wilson verfolgte nicht den detaillierten Informationsfluss, er beobachtete den Esra-Aufseher.
Randall starrte in das Labor hinab auf die Transportkapsel. Dort stand die große Kristallkugel umgeben von fünfundsechzig Partikelzerstäubern. Der Anblick machte Wilson noch immer nervös, und Randall ging es wahrscheinlich genauso. Als die Systeme herunterfuhren, wurden die glänzenden Titanringe um die Transportkapsel sichtbar und kamen langsam zum Stillstand.
Wilson dachte daran, wie er sich in der Kristallkugel gefühlt hatte, als die Laser auf ihn zu feuern begannen – ringsherum gelbrote Lichtblitze – und den Beschuss nach und nach verstärkten. Die Schmerzen waren so schlimm gewesen und die Dunkelheit so schwarz. Dann hatte das unvergleichliche Gefühl eingesetzt, als würde er mental mit Lichtgeschwindigkeit in den Kosmos fliegen.
»Die Sache sieht gut aus«, meinte er und näherte sich Randall.
Der starrte weiter auf die Transportkapsel. »Das hoffe ich doch.«
»Und wie geht es Ihnen?«, fragte Wilson.
»Ich habe in den letzten paar Tagen viel über mich erfahren«, sagte Randall gedankenvoll. »Mir ist bewusst geworden, dass ich unter steigendem Druck geistig umso klarer werde, wenn ich mich zwinge durchzuhalten.«
Wilson nickte. »Das ist gut.«
Randall sah ihn von der Seite an. »Danke, dass Sie für Le Dans Zugangsberechtigung gesorgt haben. Es bedeutet mir viel, ihn jeden Tag um mich zu haben.«
»Das hatte die ECTU verbockt«, erklärte Wilson. »Jasper brauchte nur einen Anruf zu tätigen, dann war das erledigt.«
»Nun, ich bin jedenfalls froh darüber«, sagte Randall und atmete hörbar aus. Hinter ihm saßen die Wissenschaftler an ihren Geräten und boten ein Bild der Konzentration. »Wenn Sie mir vor zwei Jahren gesagt hätten, dass ich mal hier in diesem Labor vor Ihnen stehe und darauf warte, zweihundert Jahre in die Vergangenheit zu reisen, ich hätte Sie für verrückt erklärt.«
»Schließen wir das mal noch nicht aus«, erwiderte Wilson.
Randall grinste. »Ich darf nicht einmal meinem Vater sagen, womit ich mein Geld verdiene. Er ist Systemprogrammierer, wissen Sie? Er würde sich für das Labor begeistern.« Er wurde ernst. »Und wenn ich sterbe, wird er nicht erfahren, was passiert ist. Die Firma würde es als Unfall deklarieren.«
»Sie werden nicht sterben«, versicherte Wilson.
»Aber wenn, dann sollten Sie meinem Vater die Wahrheit sagen. Würden Sie das für mich tun?«
»Hören Sie auf, so negativ zu denken.«
Randall schüttelte den Kopf. »Sie haben recht – es tut mir leid.« Er holte tief Luft. »Wissen Sie, es will mir nicht so richtig in den Kopf, dass ich durch die Zeit reise und dass Zukunft und Vergangenheit nebeneinander existieren. Ich habe in einer einfachen Welt gelebt, wo die Vergangenheit die Zukunft bestimmt, mehr nicht. Und jetzt stelle ich fest, dass die Zukunft auch Einfluss auf die Vergangenheit nehmen kann.« Plötzlich wirkte er gequält. »Das bringt mich ein bisschen durcheinander.«
Wilson legte ihm die Hand auf die Schulter und lenkte ihn zum Fenster. »Das
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