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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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drei Stunden in ein und derselben Haltung da. Und ihm schwirrte der Kopf von dem ununterbrochenen Gemurmel der Verehrung. Dies war eine Welt der Traditionen und Rituale, in der fast jeder Tag des Jahres eine spezielle Bedeutung hatte. Alles wurde vom Kaiser mit Pomp zelebriert. Und selbst wenn er nicht anwesend war, fanden die Zeremonien statt. Die Qing feierten die Geburtstage und Todestage jedes ihrer Herrscher, besonders von Kangxi und Qianlong. Deren Verehrung war konkurrenzlos. Die Qing würdigten auch jeden Jahreszeitenwechsel, die Sommer- und die Wintersonnenwende, das Saatfest und das Erntefest, den Neumond, den Vollmond und eine Unzahl heiliger Tage des Taoismus, desgleichen die bestandenen Prüfungen der Mandarine sowie die Auszeichnung der Besten. Dazu kamen noch die Zeremonien zur Ernennung von Konkubinen, die Geburtstage, Hochzeiten und Begräbnisse der Höflinge und die Geburten der kaiserlichen Kinder. Am wichtigsten war jedoch das Neujahrsfest. Es begann am ersten Neumondtag des neuen Jahres und endete fünfzehn Tage darauf mit der Vollmondnacht und dem Laternenfest. Diese Zeit war mit viel Aberglauben behaftet und die Feiern darum eine stark regulierte Angelegenheit, denn die Chinesen glaubten, dass das Tun des Himmelssohnes direkten Einfluss auf das Glück des ganzen Landes habe.
    So diente auch jedes Gebäude der Verbotenen Stadt einem bestimmten Zweck. Die großen Harmoniehallen waren den wichtigsten Feiern vorbehalten, andere den geringeren Huldigungen und Opferungen, den Mandarinexamen und den Ernennungen der Generäle. Einige dienten lediglich zum Schlafen und zum Arbeiten. Nichts blieb dem Zufall überlassen, alles hatte einen Zweck, mit dem eine festgefügte Tradition verbunden war.
    Randall betrachtete Cixi, die in scharlachrotem Chaofu und mit aufgesteckten Haaren den Vorbeischreitenden freundlich zunickte. Sie war schön, anmutig und weiblich. Erinnerungen an ihren nackten Körper spielten mit seinen Sinnen. In den vergangenen zehn Tagen hatte sie ihm jeden Kontakt verweigert und immer dafür gesorgt, dass sie keinen Moment lang allein waren.
    Ich werde bald nicht mehr hier sein, sagte er sich immer wieder.
    Die Position der Qing wurde jeden Tag besser. Und obwohl der Lauf der Geschichte an einem bestimmten Punkt aus der Bahn geraten war, hatte die Zeit die Verwerfungen anscheinend ausgeglichen. Es war offenbar der Lauf der Dinge, schloss Randall, das Schicksal sozusagen, demzufolge die Angelegenheit wohl wieder unter Kontrolle war. Die britischen und französischen Gefangenen waren schon fast so weit, dass man sie zurückschicken konnte. Die Alliierten lagerten vor der Stadtmauer und hatten noch nicht angegriffen, obwohl sie es hätten tun können. Der Brief von Parkes mit den düsteren Warnungen und die Bitten Prinz Kungs um Verhandlungen hatten Lord Elgin offenbar überzeugt, auf der sicheren Seite zu bleiben. Senggerinchin, der eigentlich im Kampf um die Festungen hätte fallen sollen, hatte sich aus dem Staub gemacht und schien in den Ablauf der jüngsten Ereignisse nicht einbezogen zu sein. Wie die Geschichte zeigte, würden bald friedvolle Verhandlungen stattfinden und die eindrucksvollste Niederlage der Geschichte endlich ausgeglichen werden.
    Plötzlich fühlte er sich niedergeschlagen, als er Cixi betrachtete. Er würde bald fort sein und für den Rest seines Lebens mit der Schuld der Vergewaltigung leben müssen.
    Seine Gedanken wanderten zu dem Transportportal, und einen Moment lang fragte er sich, ob es fehlerfrei funktionieren werde. Allerdings war es beruhigend zu wissen, dass Wilson durch ein viel älteres Tor zurückgekehrt war.
    Die letzten Adligen und Würdenträger waren endlich aus dem Palast in den windigen Nachmittag verschwunden. Die vielen Glastüren wurden wieder geschlossen, und die Kerzen blieben zum ersten Mal brennen. Zu Dutzenden reinigten nun die Diener den Boden mit weichen weißen Tüchern und entfernten sich dann durch die Hintertür. Schließlich marschierte auch die kaiserliche Garde ab. Nur Prinz Kung, Cixi und Randall genossen nun den gelben Schein der Kerzen.
    Prinz Kung verbeugte sich. »Lob und Preis dem Sohn des Himmels.«
    »Lob und Preis dem Sohn des Himmels«, wiederholte Randall.
    »Euer Plan scheint so weit aufzugehen«, sagte Cixi auf ihre betörende Art. »Der Waffenstillstand hält, die roten Teufel bleiben unter sich.«
    »Wir sind hier geschützt«, bekräftigte Randall. »Aber es gibt noch viel zu tun. Die Gefangenen müssen in den

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