Zeitriss: Thriller (German Edition)
geduldig gewartet, bis die britischen Truppen gelandet waren, ehe er seinen ersten Zug machte. Als direkter Nachfahre von Dschingis Khan war er der geborene Krieger, der die Schwäche der Furcht kaum kannte. In der Überzeugung, dass der erste Eindruck, den er mit seinem Heer auf den Gegner machte, für den Erfolg entscheidend war, hatte er seine besten Männer um sich gesammelt und lauerte nun auf Elgins ersten Fehler.
Auf Cixis Bitte war er von Sayn Shanda in der südlichen Mongolei mit viertausend Horqin-Kriegern nach Süden geritten. Unter seinem Befehl standen zudem zehntausend Tataren mit Luntenschlossmusketen – einer außer auf kurze Entfernung unzuverlässigen Waffe. Der mongolische Prinz stützte sich lieber auf das Ehrgefühl geschickter Bogenschützen und die Schnelligkeit gut ausgebildeter Schwertkämpfer.
In seiner Brusttasche trug er den Brief der kaiserlichen Gemahlin, den sie eigenhändig geschrieben hatte. Sie versprach ihm darin unerschöpfliche Freuden, die seine Wünsche überstiegen. Es feuerte Senggerinchin ungemein an, dass sie ihren Leib zur Gänze und auf dem Bett des Kaisers Hsien Feng versprach, im Palast des Westens. Er musste lächeln, als er sich vorstellte, sie im Bett des Himmelssohns zu besitzen. Seinen Samen in die Lieblingsfrau des Kaisers zu spritzen – das wäre sein Augenblick des Triumphs. Auf ewig wollte sie sich seinen Wünschen beugen, und er würde auf der Einlösung des Versprechens bestehen.
In dem großen seidengefütterten Zelt stand sein Mittagessen vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet. Er trug einen blauen Kavallerierock mit weiten Hosen. Die Brust war mit dem Schwarzen Horqin-Banner, dem Symbol der Inneren Mongolei, in roter Stickerei verziert. Sein Kopf war kahl und glänzend, die kleinen Ohren anliegend. Ein langer, dünner Schnurrbart, den er zwirbelte, wenn ihm langweilig war, hing bis zum Schlüsselbein herab. Er war stämmig und muskulös wie die meisten Mongolen, und sein Kinn kantiger als das seiner chinesischen Nachbarn. An den Füßen trug er schwarze Reitstiefel und um die Taille einen schwarzen Ledergürtel, an dem ein rasiermesserscharfer Säbel hing, der einst dem mächtigen Dschingis Khan gehört hatte.
Alle halbe Stunde eilten seine Ratgeber in das Zelt, um sich vor seinen Füßen niederzuwerfen und neue Einzelheiten über die Truppenbewegungen der Briten und Franzosen zu melden.
Senggerinchin sprang freudig von seinem Stuhl auf. »Endlich!«, sagte er. »Die roten Barbaren haben ihre Stärke überschätzt!« Soeben hatte er erfahren, dass Sir Hope Grant Napiers 2. Division mit einem Erkundungsauftrag ausschickte.
Mit diesem Sieg werde ich meinem Ziel einen Schritt näher kommen, dachte er schmunzelnd. Er griff in die Brusttasche und zog Cixis Brief hervor. Nachdem er das rosa Reispapier behutsam auseinandergefaltet hatte, hielt er es an die Nase und roch den verlockenden Duft, der sorgsam darin eingefangen war. Sie hatte ihm einen Vorgeschmack auf die Genüsse ihres Körpers gegeben; sie hatte das Papier über ihre Weiblichkeit gerieben, um dem Versprechen mit dem süßen Aroma ihrer Säfte Glanz zu verleihen. Die lockenden Worte ermutigten ihn, sich seine Hände auf ihrer Haut vorzustellen, ihre Lippen auf seinem Fleisch, ihre festen Brüste, die sich hoben, wenn sie rittlings auf seinen Lenden saß und eben jenen Duft ihrer Weiblichkeit darauf verteilte.
Senggerinchin faltete den Brief zusammen und steckte ihn in ein Lederetui, bevor er ihn seinem Konsul zur sicheren Aufbewahrung gab.
Draußen fiel ein gleichmäßiger Regen, als der Mongolenprinz seine acht Generäle zu sich rief. »Lasst die tatarische Reiterei antreten«, sagte er sofort. »Der Zeitpunkt ist gekommen, da wir diesem Krieg unser Siegel aufdrücken. Die feigen Briten wollen unsere Festungen von hinten angreifen. Sie haben kein Ehrgefühl. Aber gerade darum müssen wir noch mehr auf der Hut sein. Ich habe geglaubt, ihr Hochmut werde sie zu einem frontalen Angriff verleiten, doch sie gehen einen vorsichtigen Weg. Das ist sehr unbritisch.«
Keiner seiner Generäle sagte ein Wort, während er seinen Plan erläuterte.
»Heute haben die roten Barbaren einen Fehler begangen. Sie haben bei Regen ihre Infanterie und eine einzige Reiterschwadron in Marsch gesetzt.« Er tippte auf die große Karte, die an der Zeltwand hing. »Ihre Musketen werden bei der Nässe nicht schießen, sodass ihnen nur Säbel und Bajonette bleiben. Damit sind sie unseren Bogenschützen hoffnungslos
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