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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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und sofort zum Wasser gelaufen sei. Eben habe er ihn noch auf dem Brunnenrand sitzen sehen, dann sei er plötzlich verschwunden gewesen.
    »Welch ein Unglück!«, sagte er bedauernd. »Weiß jemand, was er hier wollte?«

38.
Britisches Feldlager
3 Kilometer östlich von Peking, China
8. Oktober 1860
Ortszeit: 11.21 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 219
    Harry Parkes ritt an der Spitze seiner Begleiter, genau wie damals vor knapp drei Wochen, als er das britische Feldlager verlassen hatte. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, dass sie bis vor Kurzem noch Gefangene gewesen waren. Von weitem sahen sie gesund aus. Ihre Gesichter waren rasiert, die Uniformen gebügelt, die Stiefel geputzt, die Pferde gestriegelt. Bei näherem Hinsehen hätte man freilich die schrecklichen Spuren der Folter an den Handgelenken und im Gesicht gesehen; die Wunden waren gerade erst zugewachsen. Mit einundvierzig Mann waren sie fortgeritten, mit sechsundzwanzig kehrten sie zurück. Hinter der Kolonne rumpelte ein ungefederter Karren einher mit den Leichen derer, die die Gefangenschaft nicht überlebt hatten.
    Sie waren von tausend Tataren zum Pekinger Stadttor gebracht worden, und Parkes war sich seiner Freilassung erst sicher gewesen, als sich die großen Flügel öffneten und er ungehindert hinaus in den Sonnenschein reiten durfte. Begleitet vom Hufgetrappel strebten sie nun von der Stadt fort, die leicht ihr letzter Ruheplatz hätte werden können.
    In der Ferne sah er die Zelte der Verbündeten auf den gemähten Hirsefeldern. Nach der Position ihrer Truppen zu urteilen, musste Lord Elgin äußerst zuversichtlich sein. Sie lagen so nah vor der Stadt, dass sie sich unmöglich verteidigen könnten, wenn ein Tatarenheer herausströmen und das Lager angreifen würde.
    Je näher Parkes dem Feldlager kam und je deutlicher er die vielen Kanonen und Haubitzen sah, die auf die Stadtmauer zeigten, desto selbstsicherer wurde er. Es schien, als ob alle von den Chinesen erbeuteten Geschütze samt denen der Alliierten dort in Stellung gebracht waren. Es mussten über dreihundert sein.
    Über die Ebene pfiff ein kalter Wind und straffte die gut zwanzig britischen Flaggen, die in der Mitte der akkurat gebauten Zeltstadt an weißen Masten gehisst waren. Dort befanden sich zweifellos Lord Elgin und der Kommandostab.
    Die Sikh-Soldaten, die den Eingang bewachten, traten zur Seite und grüßten knapp, als Parkes mit seinen Begleitern wortlos vorbeitrabte. Von nun an säumten Hunderte britischer Soldaten die Straße, und alle klatschten Beifall, als sie die vermissten Gesandten kommen sahen.
    Parkes drehte sich zu Loch um und sagte: »Es ist, als wären wir von den Toten zurückgekehrt.«
    »Wir sind von den Toten zurückgekehrt«, war Lochs trauervolle Antwort.
    Danach beschäftigte Parkes nur noch das Problem, wie er Elgin die Tortur ihrer Gefangenschaft schildern sollte und welche Vergeltungsmaßnahmen das auslösen könnte. Dabei hatte er zwei ernste Sorgen. Erstens musste er einen Angriff auf Peking verhindern. Chens Warnung klang ihm noch in den Ohren, und wenn der entschlossen war, sie wahr zu machen, durfte es zu dem Angriff nicht kommen. Zweitens wollte er selbst in der ganzen Geschichte gut dastehen. Wie würde seine Rolle gesehen werden? Würde sein Ansehen durch die Gefangenschaft steigen oder sinken?
    Nachdem sie das Hauptkarree des Lagers in flottem Trab erreicht hatten, wurden sie von einem Begrüßungskommando willkommen geheißen, das jeden Offizier über dem Rang des Captains einschloss, mindestens fünfundzwanzig Mann in Reih und Glied. Lord Elgin stand in seinem dicken schwarzen Mantel samt Orden in der Mitte und klatschte lächelnd in die Hände. Sir Hope war da, desgleichen Major-General Sir Robert Napier, Major Probyn und Major Fane. Parkes zog die Zügel an, saß ab und übergab sein Pferd einem Sikh-Soldaten, der es wegbrachte.
    »Ich bin so froh, dass Sie heil zurückkommen!«, rief Elgin herzlich und griff nach Parkes’ Hand, um sie energisch zu schütteln.
    »Nichts kann mich abhalten, Königin und Vaterland zu dienen«, sagte Parkes darauf.
    Hinter ihm stiegen die anderen vom Pferd, und von allen Seiten kam Applaus, dann plötzlich Gesang – »For they are jolly good fellows« –, als wären die britischen Expeditionsverbände ein gut eingestimmter Chor.
    Das Lied wurde ein zweites und drittes Mal wiederholt, während man den Zurückgekehrten die Hände schüttelte und auf die Schulter klopfte und ihnen Gläser mit frischem

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