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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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seinen Schwenker an die Lippen, um den Gestank des Todes aus der Nase und aus den Gedanken zu drängen. Doch der Alkohol bewirkte nur, dass sein Feingefühl nachließ.
    »Wir sollen also diesen kümmerlichen Herrn fürchten, ja?«, schäumte Sir Hope unbesänftigt. »Ich fürchte mich vor keinem Menschen und schon gar nicht vor einem Chinesen!«
    »Er ist Mongole«, hielt Randall ihm entgegen.
    »Vielleicht hat er Sie gemeint«, warf Lord Elgin ein.
    Es folgte kurzes Gelächter unter den Offizieren.
    »Sie müssen verstehen, Mr. Chen«, sagte General Napier ernst, »dass es der Chinese ist, der uns zu fürchten hat. Wir sind hergekommen, um unsere Rechte – unsere britischen Rechte – auf fairen, ehrlichen Handel durchzusetzen. Wir wollen die Qing nicht unterwerfen. Wir wollen ihnen zeigen, wo’s langgeht, damit alle davon profitieren.«
    »Haben Sie schon einmal Opium geraucht?«, entfuhr es Randall, ehe er sich eines Besseren besinnen konnte.
    Plötzlich war es still am Lagerfeuer. Selbst die chinesischen Diener hielten inne, als das Wort Opium fiel.
    »Das ist ein verachtenswertes Rauschmittel«, fuhr Randall fort. »Königin Victoria hat den Verkauf im Commonwealth verboten, und dennoch verkaufen Sie es hier. Erzählen Sie mir nichts von fairem Handel. Fair wäre es, die Regeln, die man anderen vorschreibt, auch selbst zu beherzigen.«
    Wie vom Donner gerührt blickte General Napier zu Elgin, damit der die Richtung vorgäbe. Das Thema hatte offensichtlich einen empfindlichen Nerv getroffen.
    Parkes ergriff sofort das Wort, um den britischen Handel zu verteidigen. »Mr. Chen, Sie reden über etwas, von dem Sie offenbar nichts verstehen. Die chinesischen Bauern wollen das Rauschmittel. Die sind nicht wie Sie. Viele haben nichts zum Leben. Sie sind arm, in vieler Hinsicht nichtswürdige Sklaven, ungebildete Leute, die ein richtungsloses Leben führen. Darum will ich meinen, dass es Ihnen nicht zusteht zu beurteilen, wer Zugang zu Opium haben sollte und wer nicht.«
    »Warum wird es denn nicht in Ihrem Königreich verkauft?«, fragte Randall.
    »Weil wir ein zivilisiertes Land sind!«, schnauzte Lord Elgin. »Diese dummen chinesischen Bauern wissen gar nichts. Sie leben von einem Augenblick zum nächsten.«
    »Opium tötet nur unschuldige Menschen«, sagte Randall verbittert. »Ihre Soldaten und Ihre Kulis haben in Pei Tang alle Frauen vergewaltigt, ob jung oder alt. Man hört, dass die Frauen sich und ihre Töchter mit Opium vergiftet haben, um der weiteren Quälerei durch Ihre Leute zu entgehen. Sie müssen dem Einhalt gebieten! Diese Frauen sind unschuldig und müssen geschützt werden. Es heißt, Sie seien ein Mann von Ehre, Lord Elgin.«
    »Ehre!«, schnaubte Elgin angewidert. »Die Vergewaltigung der Frauen ist der Preis des Krieges, junger Mann! Die Qing haben das Empire gegen sich aufgebracht, und ihr Volk wird dafür bezahlen! Was den Gebrauch von Opium angeht, so sind sie mit dem Zeug in der Lunge besser dran, wenn sie sich unbedingt vor Entehrung bewahren wollen. Bei Gott, Mann! Halten Sie zu diesem Thema den Mund! Die Moral des Britischen Empires steht hier nicht zur Debatte. Dafür umso mehr der Vertrag von Tientsin!«
    »Und der wurde einseitig gebrochen, Mr. Chen«, übernahm Parkes das Wort. »Die britischen Truppen werden gemeinsam mit den Franzosen das Abkommen durchsetzen, das die Qing mit uns unterzeichnet haben. Es ist erst zwei Jahre her, dass Lord Elgin und ich in Tientsin saßen und es mit dem Großsekretär des Kaisers aushandelten.« Er sprach ruhig, aber bestimmt. »Nach zwei Wochen einvernehmlicher Debatte kamen wir zu einer förmlichen Übereinkunft. Vertrag ist Vertrag – und der wurde nun schon unzählige Male gebrochen. Ihre Majestät, die Königin, und die Truppen des Commonwealth lassen in dieser Sache nicht mit sich spaßen. Andernfalls – da gibt es gar keinen Zweifel – hat das empfindliche Konsequenzen, wie die Qing bereits bemerkt haben.«
    Es war dumm gewesen, den Opiumhandel und die Vergewaltigungen in Pei Tang anzusprechen, das war Randall klar. Er hätte sich beherrschen müssen, doch der Alkohol hatte seinen Verstand benebelt. Wilson hatte ihn bei der Vorbereitung auf seinen Auftrag immer wieder gewarnt, sich aus der Politik herauszuhalten, und dennoch stand er hier und kritisierte die ranghöchsten Kolonialherren Asiens. Sie waren alle mit einem silbernen Löffel im Mund zur Welt gekommen. Armut und Zwänge kannten sie nicht. Sie hielten es für ihr Recht, fremde

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