Zeitriss: Thriller (German Edition)
Länder zu erobern. Sie richteten über China, wussten aber nichts über dessen viertausendjährige Geschichte. Und sie wussten nichts über die nähere Zukunft.
Halte dich aus der Politik heraus!, sagte sich Randall.
Er hatte bereits die Kontrolle über den Opiumkrieg verloren, und dieser Zank würde die Lage noch verschlimmern. Senggerinchin war am Leben, und Randall wusste nicht im Mindesten, wann und wo der Mongole zum Gegenschlag ansetzen würde. Er musste schleunigst nachdenken, um die Ereignisse wieder in die Bahnen der Geschichte zu lenken. Eines stand fest: Er war gezwungen, bei Lord Elgin zu bleiben. Nur durch ihn gelangte er überhaupt an die Schalthebel. Denn es galt unbedingt zu verhindern, dass die Verbündeten die Qing entmachteten und die Verbotene Stadt stürmten.
»Sie haben recht, Lord Elgin«, räumte Randall ein. »Es ist nicht an mir, die Handelsmodalitäten des Britischen Empires in Frage zu stellen. Die Bauern wollen das Opium, sonst würden sie es nicht kaufen. Ich sehe es ein.«
»Das ist nur eine Sache von Angebot und Nachfrage«, sagte General Napier und zündete sich eine Zigarre an.
»Ich bin froh, dass Sie unseren Standpunkt verstehen«, schloss Elgin höflich lächelnd. »Wir wollen nur dem ausgehandelten Vertrag Geltung verschaffen, mehr nicht.«
Dann nahm er Blickkontakt mit Parkes auf und brauchte kein Wort zu sagen, damit dieser ihn genau verstand. Es war Zeit, Mr. Chen in Eisen zu legen und aus ihm herauszuholen, woher seine außergewöhnliche Voraussicht tatsächlich stammte.
Parkes trank seinen Cognac aus und stand aus dem Lehnstuhl auf. »Ich bin gleich wieder zurück, Freunde. Die Natur fordert ihr Recht«, erklärte er heiter. Er hatte vor, einen Trupp Soldaten zusammenzurufen und den chinesischen Gast festzunehmen.
»Jetzt!«, rief jemand plötzlich auf Mandarin, und aus der Dunkelheit näherten sich schnelle Schritte aus drei Richtungen gleichzeitig. Randall und Parkes war klar, dass sie angegriffen wurden, doch keiner hatte eine Waffe in Reichweite.
Randalls erster Gedanke war, Lord Elgin zu schützen, und so stieß er die Diener zu Boden, um sich den Weg freizumachen. Wenn der Anschlag auf den Briten gelänge, würde die Geschichte unwiderruflich einen anderen Verlauf nehmen. Da Randall eben noch ins Feuer gestarrt hatte, konnte er in der dunklen Umgebung zuerst keine Angreifer erkennen. Trotzdem reagierte er schnell. Er warf sein halb volles Cognacglas ins Feuer, das explosionsartig aufflammte.
In der plötzlichen Helligkeit sah er über Elgins Schulter hinweg einen Attentäter aus der Dunkelheit springen. Randall riss Napier das Tafelmesser aus der Hand und sprang damit auf Lord Elgin zu. Der war sichtlich überzeugt, Randall wolle ihn erstechen.
»Schützt Lord Elgin!«, schrie Randall, während er auf den Briten zuflog. Dann griff er den Attentäter frontal an. Während er springend einem Machetenhieb auswich, stieß er ihm die Messerklinge tief in den Hals, dass das Blut in einer Fontäne herausspritzte. Zusammen mit seinem Gegner fiel er ächzend auf Lord Elgin, unter dem der Louis-Seize-Stuhl zerbrach.
Zwei weitere, als Kulis verkleidete Attentäter stürzten mit einer Machete bewaffnet aus der Dunkelheit hervor.
Randall packte ein abgebrochenes Stuhlbein und schwang es der blitzenden Machete entgegen, die auf ihn niedersauste. Knackend traf es auf die Klinge und wurde gespalten. Die zweite Machete verfehlte nur knapp seinen Kopf. Lord Elgin kroch derweil auf allen vieren aus der Kampfzone. Inzwischen war klar, dass die Attentäter es auf den Blauäugigen abgesehen hatten.
Sich selbst zu verteidigen fand Randall viel leichter. Elegant und flink sprang er auf die Füße und wich zurück, um die Anzahl und das Können seiner Gegner einzuschätzen. Kurz sah er Parkes hinter seinem Stuhl kauern und General Napier sich ins Dunkle ducken. Sir Hope immerhin spähte mit schussbereiter Pistole in die Umgebung und wartete nur darauf, dass noch mehr Angreifer auftauchten.
Überzeugt, dass nur zwei übrig waren, vollführte Randall einen gedrehten Rückwärtstritt und brachte einen seiner Gegner mühelos zu Fall. Mit unfassbarer Schnelligkeit schlug er ihm die Faust in den Nacken und brach ihm das Genick. Dann packte er ihn bei den Fußgelenken und schleuderte ihn ins Feuer.
Einige der britischen Offiziere blieben auf ihren Plätzen sitzen und verfolgten gebannt den Kampf, der vor ihren Augen stattfand. Randall umkreiste langsam seinen verbliebenen Gegner und
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