Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Man muss stundenlang anstehen, stundenlang, und dann ist die Auswahl praktisch gleich Null.«
»Ich weiß nicht, Marjorie. Du hast dir immer gut zu helfen gewusst. Wir sollten besser dran sein als die meisten. Wir könnten ein Huhn schlachten, und dann hast du ja noch den Gemüsegarten.«
»Mein Gott, John, manchmal habe ich das Gefühl, du wärst seit Monaten weg. Die Hühner wurden schon vor Wochen gestohlen. Alle. Und ich weiß, dass ich es dir erzählt habe. Und das Gemüse? Soll ich etwa im Regen rumkriechen und nach ein oder zwei übrig gebliebenen Kartoffeln suchen? Es ist Ende September. Und der Garten ist eine reine Sumpflandschaft.«
Plötzlich ging das Licht an. Der Kühlschrank summte. Sie blinzelten. Zwei Menschen, die sich ohne weichzeichnende Schatten gegenüberstanden. Stille. John zuckte nervös.
»Heathers Mutter ist gestorben«, sagte sie plötzlich. »Na ja, es war wohl eine echte Erlösung. Anders als bei Greg Markham. Mein Gott, war das ein Schock. Schwer zu glauben, dass er tot ist. Er schien so … so lebendig. Und Heather und James haben ihren Job verloren.«
»Erzähl mir keine schlechten Neuigkeiten mehr!«, sagte er barsch und verschwand in der Speisekammer.
37
M arjorie hoffte, John würde früh nach Hause kommen. Er hatte in dieser Woche jeden Tag bis Mitternacht gearbeitet. Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, betrachtete ihr leeres Glas. Nein, besser nicht. Sie hatte schon drei gehabt. Wurde man so Alkoholiker? Abrupt stand sie auf und schaltete Radio und Plattenspieler auf volle Lautstärke. Eine Klangkakophonie schrillte durchs Zimmer, eine Jazzband, die gegen ein lateinamerikanisches Gesangstrio anspielte – wenigstens etwas Leben. Erneut ging sie durch alle Räume im Parterre und schaltete die Lampen ein. Zum Teufel mit dem Energiesparen! Ihre Nerven flatterten, und es bereitete ihr Schwierigkeiten, ihre Augen zu konzentrieren. Wofür sollte sie schließlich nüchtern bleiben? Sie nahm ihr Glas und ging aufs Sideboard zu.
Auf halbem Weg blieb sie stehen, sie hatte etwas gehört. Lottie, im Waschraum eingeschlossen, bellte wild. Sie zögerte, stellte dann Radio und Plattenspieler leiser. Diesmal war es unverkennbar die Haustürklingel. Sie stand mitten im Zimmer. Wer würde …? Es klingelte wieder. Dann Klopfen. Wie dumm von ihr! Als würde ein Landstreicher an der Tür klopfen. Wahrscheinlich war es ein Freund. Ja, Gott sei Dank, jemand, mit dem man sprechen und den Abend verbringen konnte. Sie lief durch die Diele, schaltete das Außenlicht ein. Durch das bemalte Glasfenster links von der Tür sah sie die Silhouette eines Mannes. Erneut wurde sie von Panik erfasst. In der Ferne grollte der Donner. Sie atmete tief durch, lehnte sich gegen die Tür und fragte so ruhig sie konnte: »Wer ist da?«
»Ian Peterson.«
Einen Moment starrte sie konzentriert auf die Tür. Langsam löste sie die Kette, schob die beiden Riegel zur Seite und öffnete die Tür einen Spalt. Sein Haar war durcheinander. Seine Jacke war zerknittert, und er trug keine Krawatte. Verlegen wurde sie sich bewusst, welchen Anblick sie selbst bieten musste. Das Haar zerzaust, ein leeres Glas in der Hand und, um Himmels willen, wegen der Hitze in einem alten, abgetragenen Strandkleid. Sie zog ihr Kleid mit der einen Hand glatt und versuchte, mit der anderen das Glas hinter ihrem Rücken zu verbergen.
»Oh, Mr. Peterson. Hm, ich fürchte, John ist nicht da. Er, hm, arbeitet heute Abend im Labor.«
»Ach? Ich hoffte, ihn hier zu treffen.«
»Nun, Sie können sicher zum …«
Ein plötzlicher Windstoß fuhr über den Hof und wehte Blätter über Petersons Schulter. »Oh!«, rief Marjorie aus. Automatisch trat Peterson ein. Sie schlug die Tür zu. »Oh, Mann, was für ein Wind!«, sagte sie.
»Es zieht ein Sturm auf.«
»Wie war es auf der Straße?«
»Schwierig. Ich musste mehrere Tage das Bett hüten, in einem Hotel südlich von hier. Nachdem ich mich erholt hatte, wollte ich mal vorbeischauen und mich erkundigen, ob John etwas Neues hat.«
»Nun, ich glaube nicht, Mr. Peterson. Er …«
»Ian, bitte.«
»Gut, Ian. John versucht überall, Treibstoff für den Laborgenerator aufzutreiben. Auf die öffentliche Versorgung kann er sich nicht mehr verlassen, sagt er. Das kostet Zeit. Er wird aber weiter senden, das weiß ich.«
Peterson nickte. »Gut. Ich nehme an, mehr kann keiner erwarten. Es war ein interessantes Experiment.« Er lächelte. »Ich habe wohl halb daran geglaubt, dass es machbar
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