Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Schließlich ist das hier ja eine Party; Tatsache ist, dass Ihr Mann hinter einer großen Sache her ist. Sein Tachyonen-Experiment bringt Einsteins Theorien auf gewisse Weise einen Schritt weiter. Die Entdeckung von überlichtschnellen Teilchen bedeutet, dass die beiden sich bewegenden Beobachter auch darüber keine Einigkeit erzielen, welches Ereignis als Erstes stattfand. Das heißt, der Zeitsinn gerät durcheinander.«
»Aber das ist gewiss nur ein Kommunikationsproblem, das mit den Tachyonenstrahlen zusammenhängt, oder so.«
»Nein, völlig falsch. Es ist von grundlegender Natur. Die ›Lichtmauer‹, wie sie genannt wurde, ließ uns in einem Universum verharren, das ein gestörtes Wahrnehmungsempfinden für Gleichzeitigkeit besitzt. Aber zumindest konnten wir feststellen, in welche Richtung die Zeit fließt. Jetzt können wir nicht einmal das!«
»Dadurch, dass man die Teilchen einsetzt?«, fragte Marjorie zweifelnd.
»Genau. In der Natur kommen sie unseres Erachtens nur selten vor, daher haben wir ihre Wirkung vorher noch nicht gesehen. Aber jetzt …«
»Wäre es nicht viel aufregender, ein Tachyonen-Raumschiff zu bauen und zu den Sternen zu reisen?«
Er schüttelte heftig den Kopf. »Überhaupt nicht. John kann nur einen Strom von Teilchen herstellen, keine festen Gegenstände. Außerdem: Wie gelangt man zu einem Raumschiff, das sich schneller als Licht an einem vorbeibewegt? Der Vorschlag ist unsinnig. Nein, hier kommt es allein auf das Ausstrahlen von Signalen an, eine völlig neue Art der Physik. Und ich … und ich habe das Glück, dabei mitzuwirken.«
Instinktiv streckte Marjorie die Hand aus und tätschelte seinen Arm. Sein letzter Satz hatte einen Ausbruch stiller Freude in ihr ausgelöst. Es war gut, jemanden zu sehen, der sich voll und ganz für eine Sache engagierte, vor allem in dieser Zeit. John war natürlich genauso, aber bei ihm war es irgendwie anders. Seine Gefühle waren beschränkt auf seine Besessenheit für technische Anlagen und auf eine innere Ruhe, einen fast trotzigen Zorn auf das Universum, das ihm seine Geheimnisse vorenthielt. Vielleicht lag der Unterschied darin, dass der eine über die Experimente nur nachdachte, während der andere sie tatsächlich ausführte. Es musste schwieriger sein, an reine mathematische Schönheit zu glauben, wenn man sich die Finger schmutzig machte.
James trat zu den beiden. »Greg, hast du irgendwelche Informationen über die politische Stimmung in Washington? Ich habe mich gefragt …«
Marjorie erkannte, dass der Einklang zwischen ihr und Greg zerbrochen war, und entfernte sich, um die Geometrie ihrer Gäste zu überprüfen. James und Greg stürzten sich in ein politisches Gespräch. Sofort änderte Greg seinen Gesprächsstil. Das Thema der ständigen Streiks hatten sie schnell abgehakt, nachdem dem Gewerkschaftsrat die überwiegende Schuld daran zugesprochen worden war. James fragte sich, wann die amerikanische Regierung die Börsen wieder öffnen würde. John bewegte sich unschlüssig zwischen den Gästen. Wie seltsam, dachte Marjorie, dass ein Mann in seinem eigenen Heim so unbeholfen ist. An seinem Stirnrunzeln spürte sie, dass er unsicher war, ob er sich zu den beiden Männern gesellen sollte. Von Börsengeschäften hatte er keine Ahnung, verachtete sie vielmehr als eine Art Glücksspiel. Sie seufzte und nahm sich barmherzig seiner an.
»John, komm her und geh mir bitte zur Hand. Ich will den ersten Gang auftragen.«
Erleichtert wandte er sich um und folgte ihr ins Haus. Sie prüfte die graumarmorierte Pastete und frischte die Platten mit Karottenstreifen und Salatblättern aus ihrem Gemüsegarten auf. John half ihr, kleine Butterteller und Melba-Toast aus selbstgebackenem Brot aufzutragen. Behutsam entkorkte er eine Flasche ihres selbstgegorenen Weins.
Marjorie mischte sich unter die Gäste und scheuchte sie mit einigen munteren Worten an den Tisch. Sie fühlte sich wie ein Hirtenhund, als sie zu denjenigen zurückging, die sich gerade an einem interessanten Thema festgebissen hatten und auf dem Weg wieder stehen geblieben waren. Anerkennendes Murmeln war zu hören; der Tisch war mit Blumen aus dem Garten geschmückt, in jeder kunstfertig gefalteten Serviette steckte eine individuelle Kerze. Sie organisierte die Tischrunde: Jan neben James, da die beiden gut miteinander zurechtzukommen schienen; Greg saß neben Heather, was diese ein wenig nervös zu stimmen schien.
»Marjorie, du bist ein Juwel«, rief Heather aus. »Diese
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