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Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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ihm misslang. Das halbe Zimmer schien ihm völlig unvertraut. Antike Briefbeschwerer aus Glas, matt gewordene Kerzenständer, ein mit Blumen bestickter Lampenschirm, eine Gauguin-Reproduktion, ein sonderbar gemustertes Porzellanschwein auf dem Herd, ein Messingrelief einer mittelalterlichen Dame, ein heller Porzellanaschenbecher in Form einer Katze mit einem Dichterwort rund um den Rand. Kaum ein Quadratzentimeter, der nicht mit dumpfer Behaglichkeit gestaltet war. Als er dies alles registriert hatte, durchfuhr ihn die dünne, blecherne Stimme von Marjories Radio; wieder ging es um die Nikaragua-Sache. Die Amerikaner versuchten erneut, von der bunt gemischten Gruppe der Nachbarregierungen die Zustimmung für einen Kanal auf Meeresniveau zu erhalten. Die Konkurrenz zum Panamakanal wäre angesichts der Tatsache, dass dieser die Hälfte des Jahres blockiert war, ein leichtes. Renfrew erinnerte sich an ein Interview der BBC zu diesem Thema, in dem der Saukerl aus Argentinien oder sonstwo den amerikanischen Botschafter attackiert hatte, weil die Amerikaner Amerikaner genannt wurden und die südlich der USA nicht. Die Argumentationskette führte geradewegs zu der Annahme, dass sich die USA, die sich den amerikanischen Namen angeeignet hatten, ebenso jeden neuen Kanal aneignen würden. Der Botschafter, in Fernsehdingen nicht sehr gewitzt, hatte mit einer rationalen Erklärung aufgewartet. Er stellte fest, dass kein südamerikanischer Staat das Wort Amerika im Namen führte und daher keinen nachdrücklichen Anspruch darauf hätte. Die Trivialität dieses Arguments im Angesicht eines Ausbruchs psychischer Energie des Argentiniers hatten den Botschafter deutlich ins Hintertreffen geraten lassen, als die Zuschauer am Telefon ihre Meinung zu der Diskussion äußerten. Der Botschafter hatte kaum einmal gelächelt oder in die Kamera gegrinst oder mit der Faust auf den Tisch geschlagen. Wie hätte er da erwarten können, Medienwirkung zu erzielen?
    In der Küche fand er Marjorie, die, so schien es, die Einmachgläser zum drittenmal neu ordnete. »Irgendwie sieht es nicht gerade aus«, sagte sie verwirrt. Er setzte sich an den Küchentisch und goss sich Kaffee ein, der, wie erwartet, eher wie Hundefell schmeckte. Das war in jüngster Zeit immer so. »Ich bin sicher, sie sind gerade«, murmelte er. Aber dann schaute er genau hin, als sie die zylindrischen Behälter in die Regale hob, und tatsächlich, die Bretter schienen schief zu sein. Er hatte sie in einer präzisen Radiallinie gebaut, die verlängert genau auf den Mittelpunkt der Erde wies, geometrisch tadellos, absolut rational und eigentlich völlig problemlos. Die Zeit hatte ihr Haus schief und winklig werden lassen. Wissenschaft wurde in diesen Tagen außer Kraft gesetzt. Diese Küche war der wahre Bezugsrahmen, die galileische Konstante. Genau. Während er seiner Frau zusah, wie sie Gläser hin und her schob, preußische Exaktheit auf Fichtenbrettern, sah er, dass es jetzt die Regale waren, die schief standen; die Wände waren gerade.

11
     
    P eterson wachte auf und schaute zum Fenster hinaus. Der Pilot war eine Schleife geflogen und näherte sich San Diego vom Meer her. Aus dieser Höhe war der größte Teil der Küstenlinie nördlich von Los Angeles zu sehen. Die Stadt war in ständigen Dunst gehüllt, ansonsten war der Tag klar und hell. Von den Fenstern hochgezogener Bürogebäude wurde die Sonne in blitzenden Funken zurückgeworfen. Abwesend starrte Peterson aufs Meer. Winzige Wellenlinien krochen mit kaum merklicher Geschwindigkeit aufs Ufer zu. Ab und zu, wenn das Flugzeug etwas hinunterging, sah er weiße Schaumbögen vor dem blauen Hintergrund; der Ozean war hier ganz anders als der, den er am Vortag überflogen hatte.
    Er hatte einen Linienflug genommen. Aus der Luft war die Algenblüte ein entsetzlicher Anblick gewesen. Sie erstreckte sich jetzt über einen Durchmesser von hundert Kilometern. Blüte war ein gutes Wort dafür, dachte er sarkastisch. Sie hatte wie eine riesige Blume ausgesehen, eine scharlachrote Kamelie weit vor Brasiliens Küste. Seine Mitreisenden hatte der Anblick erregt. Sie waren von Fenster zu Fenster gelaufen, um bessere Sicht zu haben. Aufgeregte Fragen schwirrten durchs Flugzeug. Interessant, stellte er für sich fest, wie Rot, die Farbe des Bluts, dem menschlichen Geist Gefahr suggerierte. Es war gespenstisch gewesen, hinabzuschauen und den ruhigen, verwundeten Ozean zu sehen, die Saumlinie einer rosa Brandung.
    Sein Verstand war von

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