Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Gleiche Anteile Pernod und Tequila, oder? Ich suche mal eben nach dem Zitronensaft. Ah, da ist meine Frau.«
Peterson wandte sich zur Tür, schaute und schaute noch einmal. Langsam stand er auf. Kiefers Frau brachte ihn aus der Fassung. Japanisch, jung, schlank und sehr schön. Ohne den Blick von ihr zu wenden, versuchte er, seine ersten, verwirrenden Eindrücke zu ordnen. Ende zwanzig, urteilte er, was auch erklärte, warum Kiefer so junge Kinder hatte. Ohne Zweifel seine zweite Ehe. Sie trug weiße Levis und eine hochgeschlossene weiße Bluse aus einem glatten Material. Nichts darunter, wie er erfreut feststellte. Ihr glattes Haar fiel fast bis zur Hüfte und war so schwarz, dass es einen blauen Schimmer zu haben schien. Aber es waren ihre Augen, die seine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie ganz in Weiß in dem schwach erleuchteten Zimmer zu sehen, gab ihm das gespenstische Gefühl, dass ihr Kopf allein vorwärts schwebte. Sie war im Türrahmen stehen geblieben; wohl kaum, um Wirkung zu erzielen, dachte Peterson, aber es gab ihrem Auftritt einen dramatischen Anstrich. Er war unfähig, sich zu bewegen, bevor sie sich bewegte. Nervös eilte Kiefer auf sie zu.
»Mitsuoko, meine Liebe, komm herein, komm herein! Ich möchte dir unsren Gast vorstellen. Ian Peterson, Peterson, das ist meine Frau, Mitsuoko.« Ungeduldig wie ein Kind, das einen Preis mit nach Hause bringt, blickte er von einem zum anderen.
Sie trat mit einer fließenden Grazie ins Zimmer, die Peterson entzückte. Die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, war kühl und glatt.
»Hallo«, sagte sie. Zum ersten Mal fühlte Peterson, dass er den Standardgruß »Freut mich, Sie kennen zu lernen« aufrichtig gebrauchen könnte.
»Guten Tag«, murmelte er. Er kniff die Augen ein wenig zusammen, um mitzuteilen, was dem gesprochenen Gruß fehlte. Seine unausgesprochene Botschaft hob ihre Mundwinkel zur unmerklichen Andeutung eines Lächelns. Ihre Blicke trafen sich einen Sekundenbruchteil länger, als der gute Ton es vorschrieb. Dann zog sie ihre Hand zurück und setzte sich auf das Sofa.
»Haben wir Zitronensaft, Schatz?« Erneut rieb sich Kiefer auf seine ungelenke Art die Hände. »Und was ist mit dir? Möchtest du etwas trinken?«
»Ja – auf beide Fragen«, antwortete sie. »Im Kühlschrank ist Zitronensaft, und ich nehme einen kleinen Weißwein.« Lächelnd wandte sie sich an Peterson. »Ich kann nicht viel trinken. Es steigt mir sofort zu Kopf.«
Kiefer ging hinaus, um den Zitronensaft zu holen.
»Wie stehen die Dinge in England, Mr. Peterson?«, fragte sie und legte ihren Kopf ein wenig zur Seite. »In den Nachrichten hier hört es sich schlimm an.«
»Es ist schlimm, auch wenn sich viele Leute nicht klar machen, wie schlimm«, erwiderte er. »Kennen Sie England?«
»Ich war vor einiger Zeit für ein Jahr dort. Ich mag England.«
»Ach ja? Haben Sie dort gearbeitet …?«
»Nach der Promotion bekam ich einen Lehrauftrag am Imperial College in London. Ich bin Mathematikerin. Jetzt unterrichte ich an der UCSD.« Sie lächelte, während sie ihn beobachtete; offenbar erwartete sie eine überraschte Reaktion, die Peterson aber nicht zeigte. »Sie haben vermutlich eher einen Doktor der Philosophie erwartet.«
»O nein, nichts so Gewöhnliches«, entgegnete er geschmeidig und erwiderte ihr Lächeln. Philosophen waren für ihn Menschen, die ihre Zeit mit so tiefschürfenden Fragen wie »Wenn es keinen Gott gibt, wer zieht dann das nächste Kleenex heraus?« verbrachten. Er wollte seine Einstellung gerade in ein paar sarkastische Worte kleiden, als Kiefer mit einem Glas Wein und einer kleinen Flasche zurückkam.
»Hier ist dein Wein, Liebes. Und etwas Zitronensaft – wie viel? Nur ein Spritzer?«
»Das ist hervorragend, danke.«
Kiefer setzte sich und wandte sich Peterson zu. »Hat Mitsuoko Ihnen erzählt, dass sie ein Jahr an der Universität London war? Sie ist eine brillante Frau. Doktor mit fünfundzwanzig. Brillant und bildschön. Ich bin ein Glückspilz.« Stolz strahlte er sie an.
»Lass das, Alex!« Ihr liebevolles Lächeln nahm den Worten die Schärfe. Mit tadelndem Unterton meinte sie zu Peterson: »Es ist peinlich. Alex prahlt vor seinen Freunden immer mit mir.«
»Das kann ich verstehen.« Hinter der freundlich lächelnden Fassade rechnete Peterson. Er hatte nur einen Abend. Führten sie eine offene Ehe? Wie direkt durfte ein Annäherungsversuch sein, dass sie ihn hinnahm? Wie sollte er Kiefer auf das Thema ansprechen? »Ihr Gatte sagte
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