Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Kernmagnetresonanz eine Tachyonenbotschaft empfangen konnten. An jeden Ort wurde eine Botschaft abgeschickt: New York, La Jolla, Moskau. Gleichlautend wurden die Empfänger aufgefordert, in einem Bankschließfach auf Petersons Namen eine Nachricht zu hinterlegen. Das müsste ausreichen.
Nach Moskau konnte Peterson nicht, ohne Sir Martin den Grund zu erklären. New York stand zurzeit außer Frage – wegen der Terroristen. Blieb nur noch La Jolla.
Peterson spürte seinen Puls schneller werden, als die Halterung der Stahlbox sich mit einem Klicken löste. Als der Deckel sich öffnete, sah er nur ein Blatt gelben Papiers, dreifach gefaltet. Er nahm es heraus und strich die Knickstellen sorgfältig glatt. Das Papier knisterte alt und trocken.
BOTSCHAFT ERHALTEN LA JOLLA
Das war alles. Es war genug. Sofort empfand Peterson zwei widerstreitende Gefühle: Freude – und Enttäuschung, dass er nicht um mehr gebeten hatte. Wer hatte die Nachricht geschrieben? Was hatten sie sonst noch empfangen? Bekümmert gestand er sich ein, dass er angenommen hatte, der Empfänger der Botschaft würde die Anleitung befolgen und dann darüber hinaus mitteilen, wie er sie erhielt, als was er sie interpretierte oder zumindest doch, wer er selbst war.
Aber nein, nein, dachte er, sich zurücklehnend. Dies war genug. Dies hier bewies, dass die ganze Geschichte stimmte. Unglaublich, aber sie stimmte. Was das sonst noch bedeuten mochte, war zugegebenermaßen völlig unklar – aber dies eine war sicher.
Und außerdem, dachte er mit einem Anflug von Stolz, hatte er es ganz allein gemacht. Einen Moment fragte er sich, ob das einen Wissenschaftler ausmachte: etwas zu entdecken, die Welt einen Augenblick lang unverhüllt zu sehen.
Da klopfte der Bankdirektor zaudernd an die Tür, die Stimmung war verflogen. Peterson steckte das gelbe Blatt in die Tasche.
Er nahm im Valencia Hotel eine Suite mit Blick auf die Bucht. Der Park unter dem Fenster war von der Brandung zum Teil zerstört worden, wie abrupt endende Wege bewiesen. An der gesamten Küste hatten die Wellen das Erdreich unterspült. Überhängende Felszungen, die jeden Moment hinabstürzen konnten, ragten in die Brandung. Niemand schien davon Notiz zu nehmen.
Er wies die Sicherheitsbeamten und die Besatzung seiner Limousine an, sich für die Nacht zurückzuziehen. Sie lenkten die Aufmerksamkeit auf ihn, und ein Tag im Rampenlicht reichte ihm vollauf. Der Erfolg in der Bank ließ seine Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Einen Teil der angestauten Energie ließ er bei dreißig Runden im Schwimmbecken des Hotels verpuffen, dann stürzte er sich in einen erfolglosen Plünderungszug durch die Läden in der Nähe. Am meisten interessierten ihn die Bekleidungsgeschäfte, aber sie gehörten zu der Sorte, die ihre Waren nicht einfach ausstellten, sondern sie in Szenarien englischer Herrenhäuser oder französischer Schlösser arrangierten. Hier gab es noch Geld, auch wenn das meiste fehlgeleitet schien. Die Menschen waren freundlich, sauber und geschmeidig. Vermögend zu sein, hob einen in England zumindest aus der Masse heraus; hier bürgte er für gar nichts, nicht einmal für guten Geschmack.
Die Gehwege waren voller alter Leute, von denen einige recht ungehalten werden konnten, wenn man ihnen nicht auswich. Die jüngeren Männer jedoch waren freundlich und athletisch. Ihn interessierten die Frauen mehr, ihre frische Eleganz und ihr makelloser Chic. Ihnen war eine gewisse Sanftheit zu eigen, eine unbestimmbare Prägung wohlhabender Neutralität. Zum Teil beneidete er dieses Leben. Zwar wusste er, dass die Menschen, die den Girard so selbstbewusst entlangschritten, von ebenso viel Beschränkungen wie die Briten gehemmt wurden – Südkalifornien bestand aus einer Vielzahl von Einschränkungen, das galt für Einwanderungen, Hauskauf, Wasserverbrauch, Berufswechsel, Autos, praktisch alles -, aber sie wirkten freier. Hier fand sich jener Weltüberdruss, den Europäer häufig mit Reife gleichsetzten, noch nicht so ausgeprägt. Bei den Frauen vermisste er stets eine gewisse Komplexität. Sex mit ihnen war gesund, qualifiziert und ungezwungen. Wenn man ihnen ein Abenteuer vorschlug, waren sie nie erstaunt oder gar schockiert. Ihr Nein hieß nein, und ihr Ja hieß ja. Er vermisste die Herausforderung des Nein, das Vielleicht hieß, das elegante Spiel der Verführung. Diese Amerikaner spielten nicht; sie waren voller Tatendrang und Gewandtheit, aber niemals unaufrichtig, verstohlen oder listig. Sie
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