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Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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drängten gegen üppige Bambusgewächse. Zierwerk jedes architektonischen Stils schien sich über die Häuser ergossen zu haben und klebte jetzt tropfig an ihnen. Die Straßen waren übersichtlich und still, sie brachten Ordnung in den Wirrwarr der Kulturen und Vergangenheiten, die in diesem Westentaschendorf angespült worden waren. La Jolla war ein Ort, wo alles auf andere Weise als in New York zusammentraf; hier harrte eine seltsame, verborgene Energie. Gordon gefiel es. Spontan nahm er die Kurve zur Camino de la Costa 6005. Das Haus, in dem Raymond Chandler in den 40ern und 50ern gelebt und gearbeitet hatte, war jetzt eine kleine Weihestätte mit einem gepflasterten Innenhof und einem ungeordneten Steingarten, der den Hügel hinter dem Gebäude hinaufwuchs. Sofort nachdem er Bogart in Tote schlafen fest zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er jeden Chandler-Roman gelesen; Penny hatte gesagt, dies sei eine Möglichkeit herauszufinden, was es mit Kalifornien auf sich hatte.
    Bei Albertson’s kaufte er Wein und in einem Getränkeladen nahe der Wall Street einen Karton mit verschiedenen Weißweinen. Der Parkettboden des Geschäfts speicherte die nachlassende trockene Hitze des Tages. Ein stämmiger, sonnengebräunter Mann betrachtete Gordons Button-down-Hemd leicht amüsiert, während er die Flaschen einpackte. Als Gordon den Laden verließ, sah er Lakin aus einem Austin-Healey aussteigen. Hastig wandte er sich um und ging in die andere Richtung; im Zwielicht der Dämmerung hatte Lakin ihn wahrscheinlich gar nicht gesehen. Der Aufsatz über spontane Resonanz war, wie Lakin vorausgesagt hatte, problemlos von Physical Review Letters angenommen worden. Für Lakin schien die Angelegenheit damit abgeschlossen, Gordon jedoch verspürte immer noch das Unbehagen eines Mannes, der Schecks ausstellt, obschon er weiß, dass sein Konto überzogen ist. Er verstaute die klirrenden Flaschen im Kofferraum des Chevy und unternahm einen Spaziergang zum Valencia Hotel. In La Jolla gab es keine grell blinkenden Werbeschilder, keine Fabriken, Billardsäle, Schlote, Friedhöfe, Bahnstationen oder Imbissstuben, die das Stadtbild beeinträchtigten. Das Valencia warb nur mit einem schlichten Schriftzug. Auf der Veranda spielten zwei Frauen mittleren Alters Canasta und plapperten dabei ohne Unterlass. Sie trugen bauschige Kleider aus kunstvoll bedruckten Stoffen, schwere Metallhalsketten, und an jeder Hand prunkten mindestens drei Ringe. Die beiden Männer, die mit ihnen spielten, wirkten älter und müde. Wahrscheinlich vom Unterschreiben vieler Schecks erschöpft, dachte Gordon und ging an ihnen vorbei in die Empfangshalle. Aus der Hotelbar drang das Summen vieler Gespräche. Er ging an den aufgereihten Rattanmöbeln vorbei in den kleinen Ruheraum am Ende der Halle; von dort aus blickte er gerne auf die kleine Bucht hinab. Ellen Browning Scripps hatte erkannt, was die Landraffer der Stadt antaten, und um die Bucht eine glatte Rasenfläche angelegt, sodass nicht nur die Reichen dem trägen Spiel der Dünung zuschauen konnten. Als Gordon dort saß, strahlten die Scheinwerfer auf; weiße Mauern mahlenden Wassers ragten aus dem Dunkel des Meers empor. Gordons seltene Ausflüge in den Pazifik hatten stets in den halbmondförmigen Buchten dort unten begonnen. Ein Stück vom Ufer entfernt war ein Felsstreifen, auf dem man stehen und sich über die schwappenden Wellen erheben konnte. Der Steingrund war schlüpfrig, aber er blickte von dort aus gern aufs Land, das von unbeständigem Stück Holz und weißgetünchten Flächen überzogen war; aus dieser Entfernung, so schien es ihm, gewann er eine feste Perspektive. Chandler hatte gesagt, es sei eine Stadt voller alter Menschen und ihrer Eltern, aber nie hatte er das Meer und seine erbarmungslosen, donnernden Brecher erwähnt, die durch die langen Wellenzüge gischteten und das Ufer zerfraßen. Es war, als käme eine unbemerkte Kraft von jenseits des Horizonts, aus Asien, und nagte an diesem heimeligen Schlupfwinkel des amerikanischen Kontinents. Klobige Wellenbrecher versuchten dagegen anzukämpfen, aber Gordon konnte nicht verstehen, wieso sie überdauern könnten. Die Zeit würde das alles fortspülen.
    Als er durch die Halle zurückging, war das Gemurmel aus der Bar etwa einen Drink lauter als vorher. Eine Blondine warf ihm einen aufmunternden Blick zu, doch als sie erkannte, dass er ihr Interesse nicht erwiderte, verhärtete sich ihr Gesicht, und sie wandte sich wieder ihrer Illustrierten zu. Im

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