Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
sich diese Wirkung schon früher zunutze gemacht. Etwas … etwas über die Realität, die vom Beobachter unabhängig sein musste …
Er blickte auf. Eine Zusammenballung gelber Wolken, die in niedriger Höhe über die grauen Türme hinwegtrieben, warf düstere Schatten auf die Great St. Mary’s Church. Glocken läuteten eine Klangkaskade durch die für einen Moment abgekühlte Luft. Die Wolke schien dem Wind Wärme zu entziehen.
Er beobachtete die Nebelfinger, die sich über ihm im Gefolge der Wolke auflösten. Dann, plötzlich, hatte er es. Der Kernpunkt des Problems war der Beobachter, derjenige, der die Dinge objektiv sehen musste. Wer war er? In der Quantenmechanik sagten die Gleichungen nichts darüber aus, in welche Richtung die Zeit laufen sollte. Sobald man eine Messung vornahm, musste ein Experiment als ein Vorgang angesehen werden, der Wahrscheinlichkeiten erzeugte. Die Gleichungen konnten nur aussagen, wie wahrscheinlich ein »späteres« Ereignis war. Das war der springende Punkt bei der Quantentheorie. Die Schrödinger-Gleichung konnte die Dinge entweder vorwärts oder rückwärts in der Zeit entwickeln. Nur wenn der Beobachter seine Finger hineinsteckte und eine Messung vornahm, fixierte etwas die Richtung des Zeitflusses. Wenn der allmächtige Beobachter ein Teilchen maß und es an Position x vorfand, dann musste durch den Akt der Beobachtung dem Teilchen von dem Beobachter ein kleiner Stoß versetzt werden. Das war die Heisenberg’sche Unschärferelation. Man konnte nicht exakt angeben, wie kräftig der Stoß war, den der Beobachter dem hilflosen Teilchen gegeben hatte. Die Schrödinger-Gleichung beschrieb ein Ensemble von Wahrscheinlichkeiten dafür, wo das Teilchen als Nächstes auftauchte. Die Wahrscheinlichkeiten wurden durch die Darstellung einer Welle gefunden, die sich in der Zeit vorwärts bewegte und es dem Teilchen ermöglichte, an vielen verschiedenen Stellen in der Zukunft aufzutauchen. Einer Wahrscheinlichkeitswelle. Das alte Billardkugelbild, in dem das Teilchen sich mit newtonscher Bestimmtheit zum nächsten Punkt bewegte, war schlichtweg falsch, irreführend. Die wahrscheinlichste Position des Teilchens war tatsächlich dieselbe wie die newtonsche – aber es gab auch andere Möglichkeiten. Weniger wahrscheinlich, aber möglich. Das Problem kam, wenn der Beobachter erneut die Finger hineinsteckte und eine zweite Messung vornahm. Er fand das Teilchen an einer Stelle, nicht über eine Auswahl von Punkten verstreut. Warum? Weil der Beobachter selbst immer als newtonsch betrachtet wurde – ein »klassischer Beobachter«, wie es im Fachjargon hieß.
Ein breites Grinsen machte sich auf Markhams Gesicht breit, als er in die Kings’ Parade einbog. In der Argumentationskette war eine Falltür. Der klassische Beobachter existierte nicht. Alles in der Welt war quantenmechanisch. Alles bewegte sich entsprechend den Wahrscheinlichkeitswellen. So wurde der solide, sachliche Experimentator selbst einem Anstoß unterworfen. Er erhielt einen vage bekannten Stoß von dem vergewaltigten Teilchen, und das bedeutete, dass auch der Beobachter quantenmechanisch war. Er war Teil des Systems. Das Experiment war größer und komplexer als die schlichten Vorstellungen der Vergangenheit. Alles war Teil des Experiments, niemand konnte sich von ihm isolieren. Man konnte einen zweiten Beobachter ins Gespräch bringen, größer als der erste und von dem Experiment unbeeinflusst – aber das brachte das Problem nur eine Stufe weiter. Das letzte Hilfsmittel war, das ganze Universum als den »Beobachter« zu betrachten, sodass sich ein in sich geschlossenes System ergab. Aber das hieß, dass man das gesamte Problem der Bewegung des Universums auf einmal lösen musste, ohne es in praktikable, getrennte Experimente zu zerlegen.
Die Kernfrage des Problems war: Was ließ das Teilchen an nur einer einzigen Stelle auftauchen? Warum wählte es eines der möglichen Stadien und kein anderes? Es war, als hätte das Universum viele verschiedene Möglichkeiten, und irgendetwas brachte es dazu, nur eine spezielle zu wählen.
Markham blieb stehen und blickte zur Great St. Mary’s hinauf. Ein Student schaute über den Rand, ein runder Kopf vor dem stählernen Blau.
Welches war die richtige Analogie?
Der Tachyonenstrahl schuf das gleiche Problem. Wenn seine Annahmen richtig waren, gab es eine Wahrscheinlichkeitswelle, die vorwärts und rückwärts in der Zeit lief. Ein Paradox zu bewirken hieß, die Welle zu einer Schleife
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