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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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oder für eine Theorie zu bürgen. Das hätte nur weitere Zeitverschwendung bedeutet. Er schob sie langsam auf die Tür zu, und sie gingen; verärgert manchmal, aber sie gingen.
    Ein Nebeneffekt dieser Besuche von Irren waren Randbemerkungen der anderen Mitglieder der Abteilung. Zuerst nahmen sie mit Interesse von den Besuchern Notiz. Dann waren sie amüsiert, und Gordon erzählte ihnen Anekdoten über merkwürdige Theorien und noch merkwürdigere Verhaltensweisen. Aber mit der Zeit wandelte die Stimmung sich. Seine Kollegen fanden keinen Gefallen daran, daß der San Diego Union die Abteilung in ein so diffuses Licht gesetzt hatte. Sie hörten auf, ihn beim Nachmittagskaffee nach neuen Besuchern zu fragen. Gordon bemerkte die Veränderung.

 
– 18 –
24. Mai 1963
     
     
    San Diego wuchs. Anstatt sich nach dem Vorbild von Los Angeles zu strukturieren, entschied sich die jüngere Stadt im Süden, Angestellte, »saubere« Industriebranchen und Denkfabriken anzusiedeln. Die größte dieser Fabriken war General Atomic, kaum eine Meile von der flügge gewordenen Universität entfernt. Beachtliche Kapazitäten dokterten, von der Regierung unterstützt, an Problemstellungen herum. Bekannte Größen von Berkeley und Caltech verbrachten angenehme Monate hier und schrieben Wandtafeln voll, während draußen Eichhörnchen und Kaninchen nach Futter suchten. Die Tiere waren Bestandteile eines von Psychologen ausgetüftelten Plans, um harmonische Ruhe zu erzeugen; die Ähnlichkeit mit einem Disney-Film war vermutlich reiner Zufall. Die kreisförmige Grundform für die zentralen Büros von General Atomic mit der Bibliothek in der Mitte hatte ein ähnliches Ziel. Die ringförmigen Straßen und Gebäude erinnerten an orientalische Vorstellungen von Vollständigkeit, Ausgeglichenheit und Harmonie. Die gewundenen breiten Gänge förderten den Kontakt zwischen den Forschern. Tatsächlich bedeutete die unvermeidliche Geometrie, daß niemand weiter als zehn Meter einen Flur entlangsehen konnte. Das verhinderte die zufälligen Begegnungen, wenn die Wissenschaftler kamen oder gingen; sie waren außer Sichtweite, noch ehe sie von einem Kollegen richtig wahrgenommen worden waren. Der Weg zur Bibliothek oder nach draußen verlief radial; man sah niemanden. Freeman Dyson formulierte es so: »Die gewöhnliche Interaktionsentfernung hier ist nicht größer als ein Fußballtor.« Doch häufig genug reichte das aus; das waren aufregende Zeiten. Erst sechs Monate vorher hatte Mariner II die Venus zum erstenmal aus der Nähe beobachtet. Gell-Mann und andere erforschten neue Tiefen der Teilchentheorie. Im April wurde J. Robert Oppenheimer als Gewinner des Fermi-Preises der Atomenergie-Kommission nominiert. In den Augen vieler Wissenschaftler war Oppenheimer der Prügelknabe der McCarthy-Ära gewesen, 1954 war er zum Sicherheitsrisiko erklärt worden. Jetzt endlich schien die Regierung für ihr stupides Verhalten Buße zu tun. Die Vorbehalte gegen Edward Teller, der sich nicht energisch genug für Oppenheimer eingesetzt hatte, schwanden nach der Nominierung allmählich.
    Das Gefühl einer Öffnung, eines Neubeginns, war auf der politischen Bühne bereits zum Klischee geworden. Im Gefolge der Kennedys veranstalteten die Medien Theaterdonner. Vaughn Meaders LP »The First Family«, die sich über den Kennedy-Clan lustig machte, verkaufte sich wie von selbst; die Öffentlichkeit spürte, daß der Spott eher ein wohlgemeinter Spaß war. Die Wissenschaftler waren skeptischer, viele ordneten sich ins liberale oder radikale Lager ein, und sie machten sich Gedanken über Bobby Kennedys gewöhnlich zu beobachtende Rücksichtslosigkeit und seinen lässigen Umgang mit den gesetzlichen Feinheiten über Abhöraktionen. Aber die Zunahme der materiellen Unterstützung für wissenschaftliche Forschungsvorhaben schien nun auch für die Zukunft sicher zu sein; mit dem plötzlichen Aufbruch nach dem Sputnik-Schock hatte sie begonnen und stieg unaufhaltsam. Jeder wußte, daß die lineare Kurve einmal abflachen würde, aber gewiß nicht so bald; es gab viel zu tun, und wenige, die es tun konnten.
    Freeman Dyson kam nach Kalifornien. Das Princeton’s Institute for Advanced Study hatte ihn für das Orion-Projekt freigestellt. Dyson hatte einen bedeutenden Ruf als Physiktheoretiker und wurde daher eingeladen, eins der letzten Frühjahrskolloquien an der UCLO-Physikabteilung zu leiten. Gordon war erfreut. Er sollte das letzte Kolloquium des Studienjahres geben, und wenn

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