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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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kalifornischen Boulevards. Er war froh, daß Penny nicht hatte mitkommen wollen. Im brütenden August zeigte sich die Stadt nicht von ihrer besten Seite.
    Seit das Thema einer Ehe ausgesprochen war, hatte ein gespanntes Verhältnis zwischen ihnen geherrscht. Vielleicht würde eine kurze Trennung hilfreich sein, das ganze Problem Vergangenheit werden lassen. Gordon sah die Gesichter draußen vorbeihuschen. Ein irdenes Summen lag in der Luft, wie das Geräusch der U-Bahn unter dem Broadway. Das schwere, widerhallende Rattern erschien ihm seltsam bedrohlich, eine Erinnerung an andere Menschen, die ihren Geschäften nachgingen und nichts von nuklearmagnetischen Resonanzen und rätselhaften, sonnengebräunten Kaliforniern wußten. Seine Schwierigkeiten betrafen allein ihn, waren nicht universell. Und er bemerkte, daß seine Gedanken jedesmal, wenn er sich auf Penny zu konzentrieren versuchte, in den sicheren Schlupfwinkel des Tohuwabohu der spontanen Resonanz entwichen. Von wegen, Herr seines eigenen Geschicks.
    In der Straße, wo er aufgewachsen war, stieg er aus dem Taxi und blinzelte in das wäßrige Sonnenlicht. Dieselben verbeulten Mülltonnen verbreiteten ihren Geruch, dieselbe Imbißstube, derselbe Lebensmittelladen an der Ecke. Dunkeläugige junge Hausfrauen schleppten Einkaufstüten und hielten ihre plappernden Kinder zusammen. Die Frauen waren konservativ gekleidet, nur ihre breiten, geschminkten, sinnlichen Lippen deuteten neue Geschmäcker an. Männer in grauen Anzügen, das schwarze Haar kurz geschnitten, hasteten vorbei.
    Mit ausgebreiteten Armen stand seine Mutter auf dem Treppenabsatz, als er hinaufging. Er küßte sie wie ein braver Sohn. Als er in das alte Wohnzimmer mit seinen seltsam strengen Gerüchen kam – »Es steckt in den Möbeln, in den Polstern, unser ganzes Leben lang«, sagte sie, als wären Polster unsterblich –, wurde er von seiner alten Welt überspült. Er entschloß sich, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sollte sie ihm den monatelang aufgesparten Klatsch erzählen, ihm die Verlobungsfotos entfernter Verwandter zeigen, ihm »einmal ein richtiges Essen« kochen – Hackleber, Kugel und Flanken. Sie lauschten den Calypsoklängen des alten braunen Motorola in der Ecke. Später besuchten sie die Grundweiß’ – »Dreimal hat er mir gesagt, bring den Jungen vorbei, ich gebe ihm einen Apfel wie früher« – und spazierten dann um den Block. Er begrüßte alte Freunde, diskutierte ernsthaft über Erdbebenstatistiken, warf für eine Gruppe spielender Kinder einen Ball ins bleiche Sommerlicht. Am nächsten Tag schmerzte sein Arm von diesem einen Wurf.
    Er blieb zwei Tage. Seine Schwester kam herüber, herzlich, geschäftig und merkwürdig ruhig. Ihre dunklen Augenbrauen wölbten sich, während sie sprach, und stellten Satzteile in tanzende Parenthesen. Freunde schauten herein. Gordon ging bis zur 70th Street, um für diese Gelegenheit kalifornischen Wein zu kaufen, aber er war der einzige, der mehr als ein Glas trank. Dennoch redeten und scherzten sie mit ebensoviel Lebendigkeit wie bei einer Cocktailparty in La Jolla. Ein Beweis, daß Alkohol ein unnötiges Schmiermittel war.
    Anders seine Mutter. Die Neuigkeiten aus dem Viertel waren rasch erschöpft, und dann überließ sie es seinen Freunden oder seiner Schwester, für den Fortgang der Unterhaltung zu sorgen. Wenn sie mit ihm allein war, sprach sie wenig. Langsam wurde er in dieses Vakuum gezogen. Als er aufwuchs, war die Wohnung voller Gespräche gewesen, außer während der letzten Woche seines Vaters, und die jetzige Stille machte ihn nervös. Er erzählte seiner Mutter von den Auseinandersetzungen um seine Arbeit. Von Paul Schriffer. (Nein, sie hatte die Sendung nicht gesehen, aber davon gehört. Sie hatte ihm doch geschrieben.) Von spontaner Resonanz. Von Tulares Warnung. Und schließlich von Penny. Seine Mutter wollte und konnte nicht glauben, daß ein Mädchen einen Mann wie ihren Sohn abwies. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Gordon fand diese Reaktion unerwartet angenehm; er hatte die Fähigkeit der Mütter vergessen, das Ego der Söhne aufzurichten. Er gestand ihr, daß er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, er und Penny würden ihr Zusammenleben auf konventionelle Weise (»ehrbar«, korrigierte sie ihn) gestalten. Es war für ihn eine Überraschung gewesen, daß Penny nicht ähnlich dachte. Damals war etwas mit ihm geschehen. Er versuchte, es seiner Mutter zu erklären. »Vielleicht, ich weiß es nicht… vielleicht

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