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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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der Übertragung von Tachyonen in die Vergangenheit ließen sie aus – dafür hätten sie eine große Wandtafel gebraucht. Sich die Hände an der Schürze abwischend, kam Marjorie aus der Küche. Die Stimmen der Männer dröhnten gebieterisch durch das kleine Eßzimmer. Kerzenschein tauchte die Gesichter um den Tisch in ein fahlgelbes Licht. Die Frauenstimmen klangen fragend.
    »Es scheint merkwürdig, sich die Menschen seiner eigenen Vergangenheit als real vorzustellen«, sagte Marjorie kühl. Die Köpfe wandten sich in ihre Richtung. »Ich meine, sie sich als lebendig vorzustellen, als wären sie in gewissem Sinne noch veränderbar…«
    Einen Moment saß die Gesellschaft stumm da. Einige blickten stirnrunzelnd vor sich hin. Marjories Art, das Thema anzugehen, hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. An diesem Abend hatten sie oft davon gesprochen, daß sich die Dinge in der Zukunft ändern würden. Sich auch die Vergangenheit als lebendig vorzustellen, als ein bewegliches, formbares Objekt…
    Der Moment ging vorbei, und Marjorie kehrte in die Küche zurück. Sie kam mit drei verschiedenen Desserts wieder. Als sie sie auf dem Tisch absetzte, erzeugte das Pièce de Résistance – ein Baiser mit jungen Himbeeren und Schlagsahne – die Aah- und Ooh-Rufe, die sie erwartet hatte. Dem folgten eine Erdbeercreme und eine große Glasschüssel mit sorgfältig dekoriertem Sherrygebäck.
    »Marjorie, das gibt es nicht«, protestierte James.
    John strahlte stumm vor sich hin, während die Gäste seine Frau mit Lobesworten überhäuften. Selbst Jan schaffte zwei Portionen, das Gebäck jedoch lehnte sie dankend ab.
    »Ich glaube«, merkte Greg an, »daß Süßigkeiten der englische Ersatz für Sex sind.«
    Nach dem Dessert versammelten sich die Gäste um den Kamin, während Greg und John das Geschirr abräumten. Marjorie spürte ein erleichtertes Gefühl, als sie das Teegeschirr hereinbrachte. Mit zunehmender Dunkelheit war es kühl in dem Zimmer geworden. Sie stellte ein kleines Stövchen auf, um die Tassen vorzuwärmen. Das Kaminfeuer knisterte, ein orangefarbener Funke sprühte auf den abgewetzten Teppich.
    »Ich weiß, daß Kaffee Ihnen angeblich nicht zuträglich ist, aber ich muß sagen, mit einem Hochprozentigen dazu ist er ganz angenehm«, meinte Marjorie. »Möchte jemand etwas? Wir haben Drambuie, Cointreau und Grand Marnier. Nichts davon ist selbstgemacht.« Jetzt, da das Essen vorüber war, empfand sie ein entspanntes Gefühl der Erfüllung. Mit dem Servieren der Tassen waren ihre Pflichten beendet. Draußen kam Wind auf. Die Vorhänge waren offen, und sie konnte die Silhouettenbewegung der Fichtenäste sehen. Der Wohnraum war eine Oase des Lichts, der Ruhe und Beständigkeit.
    Als könnte sie ihre Gedanken lesen, zitierte Jan leise: »Steht die Turmuhr auf zehn vor drei? Und gibt es immer noch Honig zum Tee.«
    Alle übertrieben, dachte Marjorie, vor allem die Presse. Geschichte war schließlich eine Serie von Krisen, und bisher hatten sie alle überlebt. John machte sich Sorgen, das wußte sie, aber in Wirklichkeit hatte sich gar nicht so viel geändert.

 
– 6 –
25. September 1962
     
     
    Mit bewußt langsamer Bewegung legte Gordon Bernstein seinen Stift nieder. Er hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und beobachtete, wie die Spitze in der Luft zitterte. Ein unfehlbarer Test; als die Bleistiftspitze sich der Formicaplatte des Tischs näherte, erzeugte seine nervös zuckende Hand einen tickenden Rhythmus. Wie sehr er seine Hand auch zur Ruhe zwingen wollte, das Ticken blieb. Es schien sogar lauter zu werden als das gedämpfte Stampfen der Pumpen um ihn herum.
    Abrupt warf er den Stift hin, die Spitze brach ab, das Holz und die gelbe Farbe splitterten.
    »Hee, oh…«
    Gordons Kopf fuhr hoch. Neben ihm stand Albert Cooper. Wie lange war er schon da?
    »Ich… ääh… habe mich mit Dr. Grundkind in Verbindung gesetzt«, sagte Cooper. Sein Blick mied den Bleistift. »Bei ihm strahlt nichts ab.«
    »Haben Sie es selbst überprüft?« Gordons Stimme klang dünn und gepreßt.
    »Tja, nun, sie sind’s allmählich leid, mich um sich zu haben«, sagte Cooper verlegen. »Diesmal haben sie sogar sämtliche Stecker aus den Wanddosen gezogen.«
    Gordon nickte stumm.
    »Tja, ich schätze, das wär’s.«
    »Was meinen Sie damit?« fragte Gordon gleichmütig.
    »Sehen Sie, wir haben – wie lange? – vier Tage daran gearbeitet.«
    »Und?«
    »Wir sind in einer Sackgasse.«
    »Wieso?«
    »Grundkinds

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