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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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zwischen Fragesteller und dem Vortragenden – um so besser. Und ein Fragesteller, der den Redner bei einem Irrtum ertappte, wurde durch beifälliges Kopfnicken und Lächeln der Umsitzenden belohnt. All das war klar, und doppelt klar war, daß sich keiner der Zuhörer für das Kolloquium vorbereitete.
    Das Thema wurde eine Woche im voraus angekündigt. Gordon begann, einiges über das Thema zu lesen und sich Notizen zu machen. Er überflog die Aufsätze des Redners und widmete vor allem den Schlußfolgerungen besonderes Augenmerk; denn hier spekulierten die Autoren ein wenig, äußerten Ideen »ins Blaue hinein« und versetzten ihren wissenschaftlichen Konkurrenten gelegentlich Seitenhiebe. In diesem Fall las Gordon auch die Aufsätze des Konkurrenten. Dadurch ergaben sich immer einige gute Fragen. Manchmal konnte eine solche Frage, in aller Unschuld gestellt, die Theorien eines Sprechers wie ein Stilett durchlöchern. Die Folge war interessiertes Murmeln unter den Zuhörern und forschende Blicke in Gordons Richtung. Selbst eine ganz gewöhnliche Frage erzeugte den Eindruck tiefen Verständnisses, wenn sie nur gut genug vorgetragen wurde. Die ersten Fragen stellte Gordon von ganz hinten. Nach einigen Wochen rückte er weiter vor. Die führenden Professoren der Abteilung besetzten stets die erste Reihe, nach einiger Zeit saß er nur zwei Reihen hinter ihnen. Sie begannen, sich in ihren Sitzen umzudrehen, wenn er eine Frage stellte. Wenige Wochen später saß er in der zweiten Reihe. Gestandene Professoren begannen ihm zuzunicken, wenn sie vor Beginn des Kolloquiums ihren Platz einnahmen. Weihnachten war Gordon den meisten Mitgliedern der Abteilung bekannt. Er hatte sich seitdem immer ein wenig schuldbewußt gefühlt, aber schließlich hatte er nichts anderes getan, als ein waches und systematisches Interesse zu zeigen. Wenn es ihm Vorteile verschaffte, um so besser. Damals war er auf Physik und Mathematik versessen gewesen, ein Dozent, der ein analytisches Kaninchen aus einem Zylinder der höheren Mathematik zog, hatte ihn weit mehr interessiert als der Zauberer in einer Broadway-Revue. Einmal hatte er eine ganze Woche mit dem Versuch verbracht, Fermats letztes Theorem zu knacken, und sämtliche Vorlesungen ausfallen lassen. Irgendwann um 1650 hatte Pierre Fermat die Gleichung x n + y n = z n an den Rand seiner Ausgabe von Diophantus’ Arithmetik geschrieben. Fermat schrieb, daß es für die Gleichung keine Lösung gab, wenn x, y, z und n positive ganze Zahlen waren und n größer als zwei war. »Der Beweis ist zu lang, um ihn hier an den Rand zu schreiben«, hatte Fermat daneben notiert. In den dreihundert Jahren danach war niemandem der Beweis gelungen. Bluffte Fermat nur? Vielleicht gab es gar keinen Beweis. Jeder, der das Problem mit einer mathematischen Beweisführung entscheiden könnte, würde eine Berühmtheit werden. Gordon verbiß sich in das Rätsel und gab erst wieder auf, als er im Semesterstoff zurückfiel. Aber eines Tages, so schwor er sich, würde er es erneut versuchen.
    Das letzte Theorem besaß strahlende mathematische Schönheit, aber das war nicht der Grund, aus dem er es in Angriff genommen hatte. Ihm gefiel es, Probleme zu lösen, nur weil sie existierten. Den meisten Wissenschaftlern ging es so; sie waren schon in jungen Jahren Schachspieler und beschäftigten sich mit Denksportaufgaben. Das und der Ehrgeiz waren zwei Charakterzüge, die die meisten Wissenschaftler miteinander teilten. Einen Moment dachte Gordon darüber nach, wie verschieden er und Lakin trotz ihrer gemeinsamen wissenschaftlichen Interessen waren – und plötzlich richtete er sich in seinem Stuhl auf. Die schnelle Bewegung ließ die Köpfe in seiner Nähe herumfahren. Gordon rekapitulierte das Gespräch mit Lakin; ihm fiel ein, wie seine Feststellungen über die Botschaft abgetan worden waren, zuerst durch die Bemerkungen über Cooper, dann folgte die Lowell-Geschichte, und schließlich hatte Lakin sich ganz auf die mögliche Veröffentlichung im PRL beschränkt. Lakin bekam, mit Gordon und Cooper als Mitautoren, die gewünschte Veröffentlichung, und Gordon hatte nichts als das Schreibmaschinenmanuskript der Botschaft.
    Gell-Mann beschrieb auf seine präzise Art eine detaillierte Pyramide aus Teilchen, die durch Masse, Eigendrehimpuls und verschiedene Quantenzahlen gebildet wurde. Für Gordon war das alles ein undurchdringlicher Wirrwarr. Er griff in seine Westentasche – beim Kolloquium trug er stets eine Jacke, meistens

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