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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Markham hatte eine einleuchtende Erklärung gefunden: In der schneller werdenden ökonomischen Talfahrt, die den reichen Jahren des Nordseeöls folgten, betonten die Menschen die Unterschiede, um ihr Selbstwertgefühl am Leben zu halten. Wir gegen sie brachte das Blut in Wallung. Besser dieses verwirrende, uralte Spiel als der Blick in eine graue Zukunft.
    Nachdenklich nahm Markham den Fußweg auf die würdevollen Türme der Stadt zu. Er war Amerikaner und dadurch von den subtilen Klassenritualen ausgenommen – ein Besucher auf Zeit. Ein Jahr hier hatte ihn an die unterschiedliche Sprache und die feinen Verhaltensunterschiede gewöhnt. Jetzt erkannte er Petersons skeptisch hochgezogene Augenbraue, begleitet von einem »Hmmm?« als wohlgeschärfte soziale Waffe. Petersons gewandter Umgang mit der Sprache war sicherlich weit besser als der mechanische Quack-Quack amerikanischer Beamter, die jede Information »Input« nannten, immer »ein Problem ansprachen«, Vorschläge als »Paket« einbrachten und sich im »Dialog« mit Zuhörergruppen engagierten; wenn man sich solchem phrasenhaften Gesprächsstil widersetzte, taten sie das als »reine Semantik« ab.
    Mit heftiger Bewegung versenkte Markham die Hände in den Taschen und ging weiter. Seit Tagen plagte er sich mit einer umfangreichen Besprechung in mathematischer Physik, und ein langer, einsamer Spaziergang sollte ihm helfen, sich zu entspannen. Er kam an einer Baustelle vorbei, wo Schimpansen in Overalls Steine schleppten. Bemerkenswert, was die Tüftelei mit DNS in den letzten Jahren bewirkt hatte.
    Als er sich der Schlange an einer Bushaltestelle näherte, wurde seine Aufmerksamkeit erregt. Ein Schwarzer in Tennisschuhen stand am Ende der Schlange; seine Augen tanzten, und sein Kopf zuckte wie von Drähten gezogen. Markham trat nahe an ihn heran und flüsterte: »Ein Bobby kommt um die Ecke.« Als er weiterging, erstarrte der Mann. »Hä? Was?« Hektisch blickte er sich um – und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Markham lächelte. Es war die gewöhnliche Taktik zu warten, bis der Bus hielt und alle sich aufs Einsteigen konzentrierten. Dann riß man einigen Frauen die Handtaschen weg und rannte schnell davon. Bevor die Menge ihre Aufmerksamkeit auf die neue Situation lenken konnte, war der Übeltäter schon mehrere Straßen weiter. Das gleiche Manöver hatte Markham in Los Angeles gesehen. Mit leichten Gewissensbissen gestand er sich ein, daß er die Situation nicht erkannt hätte, wäre der Mann kein Schwarzer gewesen.
    Er ging durch die High Street. Wie durch Magie erschienen Bettlerhände, sobald sein amerikanisches Jackett erkannt wurde, und verschwanden flink, wenn sein Blick sich verfinsterte. An der Ecke von St. Andrews war Barrett’s Friseurgeschäft, über dessen Eingang ein verblichenes Schild verkündete: »Barrett rasiert jeden und nur den, der sich nicht selbst rasieren will.« Markham lachte. Einer der Insider-Scherze in Cambridge, eine Referenz an die logischen Spielereien von Bertrand Russell und der Mathematiker des vorigen Jahrhunderts. Das brachte ihn zu dem Problem zurück, das ihn im Moment beschäftigte – die verwirrenden Begleitumstände von Renfrews Experimenten.
    Die auf der Hand liegende Frage war: »Und was ist mit Barrett? Wer kann den armen Barrett rasieren?« Wenn Barrett sich selbst rasieren wollte und das Schild die Wahrheit verkündete, dann wollte er sich nicht rasieren. Und wenn Barrett sich nicht selbst rasieren wollte, dann war er, wenn man dem Schild folgte, willens, sich selbst zu rasieren. Russell hatte dieses Paradox erfunden und es zu lösen versucht, indem er einführte, was er als »Meta-Schild« bezeichnet hatte, und auf dem stand:
    »Barrett soll aus der Klasse der Männer ausgeschlossen sein, auf die sich das erste Schild bezieht.« Für Barrett war das Problem damit leicht gelöst, aber in der wirklichen Welt waren die Dinge nicht so einfach. Petersons Vorschlag, die Bank-Botschaft nicht abzusenden, hatte Markham mehr irritiert, als er zeigen wollte. Das Problem der Tachyonentheorie war, daß die Vorstellung von der Kausalschleife mit der menschlichen Wahrnehmung einer Vorwärtsbewegung der Zeit nicht übereinstimmte. Was wäre, wenn sie die Botschaft tatsächlich nicht sendeten? Die hübsche kleine Schleife mit den Pfeilen, die von der Zukunft in die Vergangenheit und wieder zurück flogen, war nicht ohne Mängel. Sie enthielt keine Menschen. Das Ziel der modernen physikalischen Theorie war, die

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