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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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anglophilen Erlebnis. Die wie Quecksilber glänzende Gedenktafel, verzierte Pokale. Im Salon aus poliertem Holz hingen die Porträts der Collegegründer im Goldrahmen. Jan war überrascht, in der großen Speisehalle eine faktische Isolierung vorzufinden: Eton-Absolventen an einem Tisch, Harrowianer an einem andern, die Schüler der minder bedeutenden Public Schools an einem dritten und schließlich die Wissenschaftler von staatlichen Schulen zusammen mit allen anderen an einem buntgemischten letzten Tisch. Für einen Amerikaner schien diese Zitadelle nach den Jahrzehnten energischer Politik der Gleichheit um jeden Preis ein sonderbares Relikt. Das Vertrauen auf ererbte Vorteile hatte Bestand, ebenso die Anschauung, daß ein solches System ebenfalls eine ererbte Tugend war. Die Vergangenheit existierte weiter. Man konnte auf dem aktuellsten Stand der Dinge sein, man wußte alles über die lateinamerikanischen Riffs von Lady Delicious, und doch saß man still und behaglich in Chorstühlen der Kings’ College-Kapelle und lauschte den cherubimhaften Knaben in elisabethanischen Halskrausen bei ihrem Versuch, das bemalte Glas mit schrillen Lautattacken zerspringen zu lassen. Die Vergangenheit schien auf verwirrende Weise noch existent, alles war miteinander verknüpft, und selbst die Erkenntnis, daß die Zukunft eine greifbare Sache war, schien in dieser Gegenwart lebendig.
    Einen Moment entspannte Markham sich und ließ die Gedanken aus seinem Unterbewußtsein nach oben dringen. Spaziergänge waren der sanfte Anstoß, den sein Denken brauchte; er hatte sich diese Wirkung schon früher zunutze gemacht. Etwas… etwas über die Realität, die vom Beobachter unabhängig sein mußte…
    Er blickte auf. Eine Zusammenballung gelber Wolken, die in niedriger Höhe über die grauen Türme hinwegtrieben, warf düstere Schatten auf die Great St. Mary’s Church. Glocken läuteten eine Klangkaskade durch die für einen Moment abgekühlte Luft. Die Wolke schien dem Wind Wärme zu entziehen.
    Er beobachtete die Nebelfinger, die sich über ihm im Gefolge der Wolke auflösten. Dann, plötzlich, hatte er es. Der Kernpunkt des Problems war der Beobachter, derjenige, der die Dinge objektiv sehen mußte. Wer war er? In der Quantentechnik sagten die Gleichungen nichts darüber aus, in welche Richtung die Zeit laufen sollte. Sobald man eine Messung vornahm, mußte ein Experiment als ein Vorgang angesehen werden, der Wahrscheinlichkeiten erzeugte. Die Gleichungen konnten nur aussagen, wie wahrscheinlich ein »späteres« Ereignis war. Das war das Wesentliche des Quants. Schrödingers Gleichung konnte die Dinge entweder vorwärts oder rückwärts in der Zeit entwickeln. Nur wenn der Beobachter seine Finger hineinsteckte und eine Messung vornahm, fixierte etwas die Richtung des Zeitflusses. Wenn der allmächtige Beobachter ein Teilchen maß und es in Position x vorfand, dann mußte durch den Akt der Beobachtung dem Teilchen von dem Beobachter ein kleiner Stoß versetzt werden. Das war Heisenbergs Unbestimmtheitsbeziehung. Man konnte nicht exakt angeben, wie kräftig der Stoß war, den der Beobachter dem hilflosen Teilchen gegeben hatte. Schrödingers Gleichung beschrieb die Anordnung von Wahrscheinlichkeiten zu der Frage, wo das Teilchen als nächstes auftauchte. Die Wahrscheinlichkeiten wurden durch das Bild einer Welle gefunden, die sich in der Zeit vorwärts bewegte und es dem Teilchen möglich machte, an vielen verschiedenen Stellen in der Zukunft aufzutauchen. Eine Wahrscheinlichkeitswelle. Das alte Billardkugelbild, in dem das Teilchen sich mit newtonischer Bestimmtheit zum nächsten Punkt bewegte, war schlichtweg falsch, irreführend. Die wahrscheinlichste Position des Teilchens war tatsächlich dieselbe wie die newtonsche – aber es gab auch andere Möglichkeiten. Weniger wahrscheinlich, aber möglich. Das Problem kam, wenn der Beobachter erneut die Finger hineinsteckte und eine zweite Messung vornahm. Er fand das Teilchen an einer Stelle, nicht über eine Auswahl von Punkten verstreut. Warum? Weil der Beobachter selbst immer als newtonisch betrachtet wurde – ein »klassisches Meßinstrument«, wie es im Fachjargon hieß.
    Ein breites Grinsen machte sich auf Markhams Gesicht breit, als er in Kings’ Parade einbog. In der Argumentationskette war eine Falltür. Der klassische Beobachter existierte nicht. Alles in der Welt war quantenmechanisch. Alles bewegte sich entsprechend den Wahrscheinlichkeitswellen. So wurde der solide,

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