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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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putzte sie mit dem Ende seiner Krawatte.
    »Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären...«
    Es erübrigt sich zu sagen, daß er dazu einige Zeit benötigte, aber es gelang mir, die Quintessenz seiner Ausführungen zu verinnerlichen.
    Ich wußte bereits, daß es innerhalb des Atoms noch eine Sub-Struktur gibt – und daß Thomson der Wegbereiter dieser Erkenntnis gewesen war. Jetzt erfuhr ich, daß diese Sub-Struktur verändert werden kann. Dies kann entweder durch die Ver-schmelzung eines Atomkerns mit einem anderen erreicht werden oder auch durch den spontanen Zerfall eines massiven Atoms; und diese Auflösung wurde als
    Atomspaltung bezeichnet.
    Und da die Sub-Struktur die Identität eines Atoms bestimmt, besteht das Resultat solcher Veränderungen natürlich in nichts weniger als der Umwandlung eines
    Elements in ein anderes – der uralte Traum der Alchimisten!
    »Nun«, meinte Wallis, »werden Sie nicht überrascht sein zu hören, daß bei jedem atomaren Zerfall eine gewisse Energie freigesetzt wird – denn die Atome streben immer einen stabileren, niederenergetischen Zustand an. Können Sie noch folgen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wir haben also in diesem Reaktor sechs Tonnen Carolinum, fünfzig Tonnen
    Uranoxid und vierhundert Tonnen Graphitblöcke... und selbst in diesem Moment produziert er eine Flut unsichtbarer Energie.«
    »Carolinum? Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Es ist ein neues, künstliches Element, das durch Partikelbombardement gewonnen wird... Seine Halbwertszeit beträgt siebzehn Tage – das heißt, in dieser Zeit gibt es die Hälfte seiner gespeicherten Energie ab...«
    Ich schaute erneut auf diesen unscheinbaren Haufen aus Ziegelsteinen: er wirkte so schlicht, so nichtssagend! – und doch, so dachte ich, wenn das, was Wallis über die Energie des Atomkerns gesagt hatte, stimmte...
    »Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet diese Energie?«
    Er setzte sich wieder die Brille auf die Nase. »Wir sehen drei breite Felder. Zu-nächst die Bereitstellung von Energie aus einer kompakten Quelle: mit einem solchen Reaktor an Bord könnten Riesen-Unterseeboote monatelang unter Wasser
    bleiben, ohne Treibstoff bunkern zu müssen; oder wir könnten Höhenbomber entwickeln, welche die Erde mehrere dutzendmal umkreisen können, bis sie wieder landen müßten – und so weiter.
    Des weiteren nutzen wir den Reaktor zur Bestrahlung von Materialien. Wir können die Nebenprodukte der Uranspaltung für die Umwandlung anderer Stoffe verwenden – genau in diesem Moment werden dort drinnen eine Anzahl Proben für
    Professor Gödel behandelt, um irgendein obskures Experiment zu unterstützen. Sie können sie natürlich nicht sehen – die Behälter mit den Proben befinden sich nämlich im Reaktor...«
    »Und die dritte Anwendung?«
    »Ah«, meinte er nur, und erneut bekamen seine Augen diesen entrückten, berechnenden Ausdruck.
    »Ich sehe schon«, sagte ich grimmig. »Diese atomare Energie würde eine feine Bombe abgeben.«
    »Natürlich müssen dabei noch einige praktische Probleme gelöst werden«, wußte er. »Die Produktion der richtigen Isotope in ausreichender Menge... der richtige Zeitpunkt der Zündexplosionen... aber, ja; es scheint, als ob man damit eine Bombe bauen könnte, die so stark ist, eine Stadt zu vernichten – die Kuppel und alles darunter – eine Bombe, die so klein ist, daß sie in einen Koffer paßt.«
    Professor Gödel
    Wir durchwanderten weitere dieser engen Betonkorridore und tauchten schließlich im Hauptbürotrakt des College auf. Nach kurzer Zeit gelangten wir in einen mit edlen Kacheln ausgekleideten Korridor, an dessen Wänden die Konterfeis be-rühmter Männer der Vergangenheit prangten – Sie kennen diese Orte: ein nobles Mausoleum für verblichene Wissenschaftler! Überall waren Soldaten, aber ihre Präsenz war unauffällig.
    Hier hatte man Kurt Gödel also ein Büro eingerichtet.
    Kurz und bündig skizzierte Wallis mir Gödels Lebenslauf. Er war in Österreich geboren und hatte in Wien sein Mathematikdiplom gemacht. Beeinflußt von der
    Schule des Logischen Positivismus, die damals dort tonangebend war (ich selbst hatte nie viel Zeit fürs Philosophieren gehabt), verlagerten sich Gödels Interessen zur Logik und mathematischen Philosophie.
    1931 – er war gerade fünfundzwanzig – hatte Gödel seine aufrüttelnde These zur ewigen Unvollständigkeit der Mathematik veröffentlicht.
    Später interessierte er sich für die in der Physik erstmals aufkommenden

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