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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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»Warum?«
    »Wegen des Kaisers natürlich.« Barnes Wallis warf mir warnende Blicke zu.
    »Ich habe Beweise, müssen Sie wissen«, behauptete Gödel mit Nachdruck. »Vergleichen Sie zwei Photographien – z. B. eine von 1915 und eine aus diesem Jahr, die den Mann zeigt, der sich als Kaiser Wilhelm ausgibt. Wenn Sie die Länge der Nase nachmessen und das Ergebnis mit der Strecke von der Nasenspitze bis zum Kinn ins Verhältnis setzen – Sie werden unterschiedliche Ergebnisse erhalten!«
    »Ich... ah... großer Gott!«
    »In der Tat. Und mit einem solchen Federbusch am Helm – wer weiß, wohin Deutschland geht, nicht wahr?« »Ist schon recht«, fuhr Wallis hastig dazwischen.
    »Unabhängig von Ihren Motiven sind wir froh, daß sie unser Angebot einer Profes-sur an diesem Institut akzeptiert haben – daß Sie England als Heimat gewählt haben.«
    »Ja«, meinte ich. »Hätten Sie nicht auch nach Amerika gehen können? Vielleicht nach Princeton oder...« Er schaute schockiert drein. »Ich bin mir sicher, daß ich das hätte tun können. Aber es wäre trotzdem unmöglich. Ganz unmöglich.«
    »Weshalb?«
    »Natürlich wegen der Verfassung!« Und jetzt eröffnete dieser außergewöhnliche Mensch in einem langen und weitschweifigen Diskurs, wie er in der amerikani-schen Verfassung ein logisches Schlupfloch entdeckt hatte, das die legale Errichtung einer Diktatur ermöglichte!
    Wallis und ich ließen das geduldig über uns ergehen.
    »Nun«, meinte Gödel, als er seinen Sermon beendet hatte, »was halten Sie davon?«
    Ich erntete weitere strenge Blicke von Wallis, aber ich beschloß, aufrichtig zu sein. »Ich kann Ihre Logik zwar nicht widerlegen«, konzedierte ich, »aber ihre Implikationen erscheinen mir dennoch in höchstem Maße abwegig.«
    Er schnaufte. »Nun – vielleicht! – aber Logik ist alles. Meinen Sie nicht? Der axiomatische Ansatz ist sehr überzeugend.« Er lächelte. »Ich habe also einen ontologischen Beweis für die Existenz Gottes – völlig eindeutig, soweit ich es erkennen kann – und mit respektablen Vorgängern, die über achthundert Jahre bis zu Erzbischof Anselm zurückreichen. Sie sehen also...«
    »Vielleicht ein andermal, Professor«, ging Wallis dazwischen.
    »Ah – ja. Sehr gut.« Er schaute uns der Reihe nach an – sein Blick war stechend, ziemlich unangenehm. »So. Zeitreise. Ich beneide Sie wirklich, wissen Sie.«
    »Wegen meiner Zeitreisen?«
    »Ja. Aber nicht wegen dieses unproduktiven Herumhüpfens durch die Geschichte.« Seine Augen waren wäßrig; sie schimmerten im hellen elektrischen Licht.
    »Weswegen dann?«
    »Nun, weil Sie andere Welten als diese hier gesehen haben – andere Potentiale –
    verstehen Sie?«
    Mich fröstelte; seine Auffassungsgabe war wirklich außergewöhnlich – fast tele-pathisch. »Sagen Sie mir, was Sie meinen.«
    »Die Möglichkeit anderer Welten, die eine über unsere kurze Existenz hinausgehende Bedeutung haben, scheint mir evident zu sein. Jeder, der das Wunder einer mathematischen Entdeckung erlebt hat, muß einfach wissen, daß mathematische
    Wahrheiten unabhängig von dem Geist existieren, in dem sie residieren – daß diese Wahrheiten Gedankensplitter eines höheren Verstandes sind...
    Sehen Sie: unser Leben, hier auf Erden, hat bestenfalls eine unklare Bedeutung.
    Also muß ihre wirkliche Bedeutung außerhalb dieser Welt liegen. Verstehen Sie?
    Die Vorstellung, daß alles in der Welt eine Letztendliche Bedeutung hat, ist ein exaktes Analogon zu dem Prinzip, daß alles eine Ursache hat – ein Prinzip, auf dem die gesamte Wissenschaft basiert.
    Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß es irgendwo jenseits unserer Zeit die Finale Welt gibt – die Welt, in der alle Bedeutung aufgelöst wird.
    Die Zeitreise resultiert aufgrund ihrer ureigensten Natur in der Verzerrung der Geschichte, und daher die Entstehung, oder Entdeckung von anderen Welten als dieser. Daher ist es die Aufgabe des Zeitreisenden, zu suchen – weiterzusuchen, bis diese Finale Welt gefunden – oder geschaffen – wird!«
    Ich konnte den Blick nicht von diesem schmalen, dynamischen Gesicht wenden.

Die Neue Weltordnung
    Als wir Gödel verlassen hatten, jagten sich meine Gedanken. Ich beschloß, mich nie wieder über Mathematische Philosophen zu mokieren, denn dieser seltsame
    kleine Mann war weiter in Zeit und Raum vorgestoßen und hatte ein größeres Verständnis erworben, als es mir in meiner Zeitmaschine jemals gelungen war! Und ich wußte, daß ich Gödel auf jeden Fall

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