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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sich selbst und sah nach Filby. Der alte Bursche hatte Glück gehabt; es hatte ihn nicht einmal aus seinem Sessel gehauen. Aber jetzt war er aufge-standen und ging zum Fenster, durch das ein Sprung verlief.
    Ich erreichte ihn und legte den Arm um seine gebeugten Schultern. »Filby, mein guter Freund – komm mit.«
    Aber er ignorierte mich. Er deutete mit einem gekrümmten Finger auf das Fenster, wobei Tränen durch die Staubschicht auf seinem Gesicht strömten. »Schau.«
    Ich beugte mich näher zum Fenster und blendete mit den Händen den Schein der elektrischen Lampen aus. Die Aldis-Lampen der Schwätzmaschine waren erloschen, wie auch viele Straßenlampen. Ich sah viele Leute in Panik umherrennen –
    ein umgestürztes Fahrrad – einen Soldaten mit angelegter Gasmaske, der Schüsse in die Luft feuerte... und dort, etwas weiter entfernt, stand eine Säule gleißenden Lichts; es erleuchtete einen Ausschnitt der Straßen, Häuser, eine Ecke des Hyde Park; Leute standen in seinem Schein, blinzelten wie Eulen und hielten sich die Hände vor das Gesicht. Über ihnen setzte sich das Licht in der Luft fort, eine vertikaler Zylinder herumwirbelnden Staubs.
    Diese strahlende Säule war Tageslicht. Die Kuppel hatte einen Riß bekommen.

Der deutsche Angriff auf London
    Die Haustür hing in den Angeln, offensichtlich durch die Erschütterung aufgesto-
    ßen. Von den Soldaten, die uns bewacht hatten, war keine Spur zu sehen – nicht einmal der treue Puttick. Draußen auf der Terrace hörten wir klappernde Schritte, Schreie und zornige Rufe, gellendes Pfeifen, und ein Geruch nach Staub, Rauch und Kordit lag in der Luft. Dieses Fragment von Juni-Tageslicht hing hell und klar über allem; die verwirrte und bestürzte Bevölkerung des konservierten London blinzelte wie aufgeschreckte Eulen.
    Moses klopfte mir auf die Schulter. »Dieses Chaos wird nicht lange anhalten; jetzt ist unsere Chance.«
    »Sehr richtig. Ich hole Nebogipfel und Filby; du suchst im Haus ein paar Vorräte zusammen...«
    »Vorräte? Welche Vorräte?«
    Ich verspürte Ungeduld und Gereiztheit: welcher Narr würde nur mit einem
    Morgenrock und Hausschlappen ausgerüstet eine Zeitreise antreten? »Oh – Kerzen.
    Und Streichhölzer! So viele, wie du finden kannst. Etwas, das sich als Waffe verwenden läßt – wenn du nichts Besseres findest, tut es auch ein Küchenmesser.«
    Was noch – was noch? »Kampfer, wenn wir welchen haben. Unterwäsche! – Stopf dir die Taschen mit dem Zeug voll...«
    Er nickte. »Ich verstehe. Ich werde ein Bündel schnüren.« Er wandte sich von der Tür ab und lief in die Küche.
    Ich eilte zurück ins Raucherzimmer. Nebogipfel hatte die Schuljungen-Kappe
    aufgesetzt; er hatte seine Notizen zusammengesucht und verstaute sie in einer Pappschachtel. Filby – der arme alte Teufelskerl! – kniete unter dem Fenster; er hatte die Knie an seine Hühnerbrust gezogen und hielt die Hände vor das Gesicht, wie ein Boxer, der eine Deckung aufgebaut hatte.
    Ich kniete mich vor ihm hin. »Filby. Filby, alter Freund...« Ich streckte die Hand aus, aber er zuckte vor mir zurück. »Du mußt mit uns kommen. Es ist hier nicht sicher.«
    »Sicher? Und bei dir ist es sicherer? Eh? Du... Verschwörer. Du Quatschkopf.«
    Seine vom Staub tränenden Augen waren klar, wie Fenster, und er schleuderte mir diese Worte entgegen, als wären sie die schlimmsten nur vorstellbaren Beleidigun-gen. »Ich will dich nur daran erinnern, wie du uns mal zu Weihnachten mit deinem verdammten Geistertrick zu Tode erschreckt hast. Nun, ich werde nicht noch mal darauf hereinfallen!«
    Ich mußte mich dazu zwingen, ihn nicht zu schütteln. »Oh, rede keinen Unsinn, Mann! Die Zeitreise ist kein Trick – und dieser verdammte Krieg sicher auch
    nicht!«
    Jemand berührte meine Schulter. Es war Nebogipfel; seine bleichen Finger
    schienen in den durchs Fenster fallenden Fragmenten des Tageslichts zu glühen.
    »Wir können ihm nicht helfen«, sagte er sanft.
    Filby legte den Kopf zwischen seine zitternden, leberfleckigen Hände, und ich war überzeugt, daß er mich jetzt nicht mehr hören konnte.
    »Aber wir können ihn doch nicht einfach so zurücklassen!«
    »Was willst du denn machen – ihn vielleicht nach 1891 zurückschicken? Das
    1891, das du kanntest, existiert aber nicht mehr – höchstens in irgendeiner uner-reichbaren Dimension.«
    Jetzt kam Moses mit einem kleinen, prallvollen Rucksack in der Hand ins Raucherzimmer gestürmt; er hatte die Epauletten angelegt und

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