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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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neue Kolonie, verkündete sie, war nun gegründet und konnte einen Namen erhalten: sie schlug vor, sie Alt-London zu nennen. Dann forderte sie uns auf, sich ihr zu einem Gebet anzuschließen. Zusammen mit den anderen senkte ich den Kopf und faltete die Hände. Ich war in einem streng anglikanischen Haus erzogen worden, und Hilarys Worte weckten nun nostalgische Erinnerungen in mir und
    versetzten mich in eine weniger komplizierte Zeit meines Lebens zurück, eine Zeit voller Gewißheit und Sicherheit.
    Und als Hilary in einfachen und prägnanten Worten weitersprach, gab ich meine analytischen Versuche auf und ließ mich einfach von dieser schlichten Gemeinde-feier mittragen.

Kinder und Nachkommen
    Die ersten Früchte der neuen Verbindungen erblickten noch im selben Jahr unter Nebogipfels Mitwirkung das Licht der Welt.
    Nebogipfel untersuchte unseren neuen Kolonisten gründlich – wie ich hörte,
    hatte die Mutter größte Bedenken, dem Morlock ihr Baby anzuvertrauen, und legte Einspruch ein; aber Hilary Bond zerstreute ihre Befürchtungen – und schließlich verkündete Nebogipfel, daß es sich bei dem Baby um ein kerngesundes Mädchen
    handelte, und gab es seinen Eltern zurück.
    Ziemlich schnell – so kam es mir jedenfalls vor – füllte sich die Siedlung mit Kindern. Es war ein alltäglicher Anblick, daß Stubbins seinen kleinen Jungen zur offensichtlichen Freude des kleinen Kerls auf den Schultern reiten ließ; und ich wußte, daß es nicht lange dauern würde, bis Stubbins den kleinen Burschen am Strand mit Kokosnüssen würde Fußball spielen sehen.
    Die Kinder waren den Kolonisten ein Quell großer Freude. Vor den ersten Geburten hatten einige Kolonisten vor lauter Heimweh und Einsamkeit schwere depressive Anfälle erlitten. Nun aber mußte man sich um die Kinder kümmern: Kinder, deren einzige Heimat Alt-London sein würde und deren zukünftiges Wohlergehen ein Ziel – das wichtigste Ziel überhaupt – für ihre Eltern darstellte.
    Was mich betraf, so hatte ich beim Anblick der weichen und glatten Gliedmaßen der Kinder, die im narbigen Fleisch ihrer selbst noch jungen Eltern gewiegt wurden, den Eindruck, als ob die Schatten dieses grausamen Krieges schließlich von ihnen wichen – ein Schatten, der vom strahlenden Licht des Paläozäns verdrängt wurde.
    Dennoch untersuchte Nebogipfel nach wie vor jedes Neugeborene.
    Dann kam der Tag, an dem er einer Mutter ihr Kind nicht wiedergeben konnte.
    Diese Geburt verwandelte sich in einen Anlaß zu privater Trauer, aus dem wir anderen uns heraushielten; und danach verschwand Nebogipfel im Wald und ging für lange Tage seinen geheimen Verrichtungen nach.
    Nebogipfel verbrachte einen großen Teil seiner Zeit mit der Leitung von sogenannten ›Studiengruppen‹. Diese waren für alle Kolonisten zugänglich, obwohl in der Praxis dann jedesmal immer nur drei oder vier Zuhörer erschienen, je nach Interesse und sonstigen Verpflichtungen. Nebogipfel referierte über praktische Aspekte des Lebens im Paläozän, z.B. über die Herstellung von Kerzen und Stoffen aus den natürlichen Ressourcen; er entwickelte sogar eine Art Seife, eine zähe, körnige Paste aus Soda und Tierfett. Aber er ließ sich auch über andere Themen aus: Medizin, Physik, Mathematik, Chemie, Biologie, die Prinzipien der Zeitreise
    ...
    Ich nahm an einer Reihe dieser Sitzungen teil. Trotz der unheimlich klingenden Stimme und der eigentümlichen Art war die Präsentation des Morlocks immer be-wundernswert verständlich, und er hatte eine Vorliebe, das Verständnis seines Auditoriums mit Fragen zu testen. Während ich ihm so zuhörte, wurde mir bewußt, daß sich die Dozenten der britischen Durchschnittsuniversität eine Scheibe oder zwei von ihm hätten abschneiden können!
    Was die Vorlesungsinhalte betraf, so orientierte er sich strikt an der Sprache seiner Zuhörer – am Vokabular, wenn nicht gar am Jargon von 1944 – und er gab
    ihnen einen Überblick über die in den darauffolgenden Jahrzehnten erfolgten Entwicklungen auf jedem Gebiet. Wo es möglich war, betrieb er Anschauungsunterricht mit Metall-und Holzstücken oder zeichnete mit Stöcken Diagramme in den Sand; er ließ seine ›Studenten‹ jedes Stück Papier, das wir hatten retten können, mit seinem Wissen beschriften.
    Es hatte den Anschein, als ob er ihnen auf diesen fragilen Schnipseln ein ganzes Jahrhundert an Wissen präsentierte.
    In einer dunklen und mondlosen Nacht diskutierte ich das alles mit ihm. Er hatte seine neue Maske

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