Zeitschiffe
des Zeitschiffes stieg mit mir auf, so daß ich glaubte, mich im Mittelpunkt eines riesigen, offenen und grün glühenden Ballons zu befinden, der sich vom Boden erhob.
Ich schaute nach unten – oder zumindest versuchte ich es; ich spürte weder meinen Kopf noch den Hals, aber mein Panoramablick richtete sich nach unten. Man muß sich vorstellen, daß das Schiff, in dem ich mich aufhielt, die Form eines Dampfschiffes hatte – nur um ein Vielfaches vergrößert – sein schlanker Kiel war mehrere Meilen lang – und dennoch schwebte es mit der Leichtigkeit einer Wolke über die Landschaft. Ich blickte durch die offene, netzartige Substanz des Schiffes auf das Land, und ich schaute direkt von oben auf unser Zeitfahrzeug. Obwohl meine Wahrnehmung durch das komplexe, sich verstärkende Funkeln des Schiffes erschwert wurde, glaubte ich, zwei Körper in dem Fahrzeug zu sehen, einen Menschen und eine kleinere Gestalt, die mit Bewegungen, die wegen der eindringenden Kälte noch steif wirkten, auf den Fahrzeugboden sanken.
Meine Wahrnehmung war irgendwie seltsam. Der Blick hatte keinen Fokus: oder
vielmehr fehlte es ihm an einem Bezugspunkt. Wenn man etwas betrachtet, z. B.
eine Tasse, dann sieht man sie, und sie stellt quasi den Mittelpunkt der Welt dar, wobei alles andere zu einer Art Kulisse an der Peripherie des Blickfeldes degra-diert wird. Aber jetzt merkte ich, daß meine Welt weder ein Zentrum noch eine Peripherie hatte. Ich sah alles – Eis, Schiffe, Zeitfahrzeug – und ich hatte den Eindruck, daß alles simultan zentral und peripher war! Es war desorientierend und sehr verwirrend.
Bauch und Kopf schienen betäubt gewesen zu sein, ganz ohne Gefühl. Ich konnte sehen, na gut; aber ich konnte weder Gesicht noch Hals oder Körper spüren – rein gar nichts, außer einer leichten, fast geisterhaften Berührung: Nebogipfels Hand, die meine noch immer umschloß. Das tröstete mich etwas, denn es war gut zu wissen, daß wenigstens er bei mir war!
Ich glaubte, ich wäre tot – aber ich erinnerte mich, daß ich das schon einmal angenommen hatte, als der Universale Konstrukteur mich absorbiert und restauriert hatte. Was jetzt aus mir werden würde, wußte ich nicht. Würde ich verwehen, wie eine Rauchwolke, eine immaterielle Version meines materiellen Ich? Würde ich mich im Reich der ungezählten Toten wiederfinden...?
Das Schiff begann wieder zu steigen, und diesmal viel schneller. Das Zeitfahrzeug und der Turm, auf dem es stand, fielen nach unten weg, und sie verschwanden, wie ein Schaumfleck von einem Strudel aufgesogen wird. Ich stieg eine Meile, zwei Meilen, zehn Meilen über die Oberfläche; die ganze kärgliche Landkarte dieses in der fernen Zukunft liegenden Londons breitete sich unter mir aus, erkennbar durch das Funkeln des Zeitschiffes.
Wir gewannen weiter an Höhe – wir müssen schneller als eine Kanonenkugel
gewesen sein –, und dennoch vernahm ich kein Rauschen der Luft und spürte keinen Windhauch auf dem Gesicht: Ich fühlte mich sicher, mit diesem kindlichen Gefühl der Leichtigkeit, die ich bereits erwähnt hatte. Der Ausschnitt der Szenerie unter mir vergrößerte sich, und die Details der Gebäude und Eisfelder wurden verschwommen und blaß und unscharf, und eine Art lumineszierendes Grau ver—
mischte sich mehr und mehr mit dem kalten Weiß des Eises. Als der Schleier der Atmosphäre zwischen mir und dem Weltraum immer dünner wurde, nahm der
Nachthimmel, dessen Tönung bisher ein kräftiges Eisengrau gewesen war, eine
dunklere und intensivere Färbung an.
Inzwischen waren wir bereits so hoch, daß die Krümmung des Planeten sichtbar wurde – es hatte den Anschein, als ob London der höchste Punkt eines riesigen Hügels sei –, und ich konnte die Konturen des armen Britanniens identifizieren, das in einem gefrorenen Meer aus Eis eingeschlossen war. Wolkenballungen lagen über Irland und dem westlichen England, und ich konnte die Umrisse Nordfrank-reichs und Irlands ausmachen, wohingegen Schottland hinter dem Horizont lag.
Das Meer hatte eine trübe grauweiße Färbung, dunkler als das Land; und ich sah, daß sich das ganze Panorama in östlicher Richtung drehte.
Ich hatte auch weiterhin keine Kontrolle über Hände oder Füße, Bauch oder
Mund, aber ich verspürte weder Angst noch Schmerzen. Ich schien plötzlich meine Körperlichkeit verloren zu haben und betrachtete die Dinge mit einer heiteren Gelassenheit. Alles, was an mir materiell gewesen war, war dort unten auf der Erde
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