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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Schiff so viel mehr darstellen.« Er sah mich an, wobei sein eines Auge tief und dunkel hinter der Brille lag.
    »Wenn das hier Leben ist, dann ist es eine neue Art von Leben – Plattnerit-Leben –
    die erste Art, die im Gegensatz zu uns nicht den Gesetzen des Lebenszyklus unterliegt. Und es ist hier konstruiert worden, wobei wir als Bezugspunkt dienten... Das Schiff ist für uns gedacht – um uns zurückzubringen... Genau wie der Konstrukteur es versprochen hatte. Wie du siehst, ist er also hier...«
    Nebogipfel hatte natürlich recht; und ich fragte mich mit einer gewissen nervösen Verlegenheit, wie viele dieser Schiffe, die wie große Tiere durch das sternenlose All pflügten, im Grunde nur wegen uns da waren.
    Aber jetzt, wo ich zum plattneritverhangenen Himmel hinaufblickte, stach mir noch etwas anderes ins Auge. »Nebogipfel – schau dir mal den Mond an!«
    Der Morlock drehte sich um; ich sah, daß das grüne Licht, das über die Haare seines Gesichts spielte, nun von einem zarten Silber überlagert wurde.
    Meine Beobachtung war fundamental: der Mond hatte seinen Grünstich verloren.
    Die Lebensfarbe, die von der Erde stammte und mit der er Millionen Jahre überzogen gewesen war, war verschwunden und hatte wieder das stechende Knochenweiß der darunter verborgenen staubigen Berge und Meere freigelegt. Jetzt unterschied sich der Satellit in seiner Leichenblässe kaum noch von dem Mond, den ich gekannt hatte, vielleicht von einem stärkeren Glühen auf seiner Nachtseite abgesehen: hier wurde ein lebendiger ›Alter Mond‹ in den Armen des ›Neuen Mondes‹
    gewiegt – und ich wußte, daß diese größere Helligkeit nur auf die erhöhte Albedo der eisbedeckten Erde zurückzuführen war, die in diesem atmosphärelosen Mond-himmel wie eine zweite Sonne strahlen mußte.
    »Vielleicht war es die manipulierte Leuchtkraft der Sonne«, spekulierte Nebogipfel. »Das Plattnerit-Projekt der Konstrukteure...«
    »Weißt du«, sagte ich ziemlich bitter, »ich glaube, daß ich – selbst nach allem, was wir bisher gesehen und gehört haben – irgendwie Trost in der Existenz dieses erdgrünen Flecks am Himmel gefunden hatte. Die Vorstellung, daß irgendwo –
    nicht so unvorstellbar weit weg – noch ein Stück der Erde, so wie ich sie kannte, überlebt hatte: daß es einen ungewöhnlichen Niedergravitations-Dschungel geben könnte, der von den Nachkommen der Menschen durchstreift wurde... Aber jetzt können nur noch Ruinen und schwache Fußabdrücke auf dieser öden Oberfläche
    existieren – noch mehr, die sich denen anschließen können, die über die tote Erde verstreut sind ...«
    Und exakt in diesem Moment, wo ich Trübsal blies, ertönte ein Knall wie ein
    Gewehrschuß – und unser Schutzschirm platzte wie eine Eierschale auf!
    Ich sah, daß sich eine Serie von Rissen – ein komplexes Delta – in dem Schirm gebildet hatte. Vor meinen Augen löste sich ein kleiner Abschnitt der Kuppel, nicht größer als meine Hand, und schwebte wie eine Schneeflocke durch die Luft.
    Und hinter der sich auflösenden Kuppel vergrößerte sich das Plattneritgewebe des Schiffs – die Fäden wuchsen, zu mir und Nebogipfel herunter.
    »Nebogipfel – was ist hier los? Werden wir ohne die Kuppel sterben?« Ich befand mich in einem völlig elektrisierten Zustand, in dem jeder Nerv vor Mißtrauen und Angst zitterte.
    »Du mußt versuchen, die Angst zu unterdrücken«, empfahl mir Nebogipfel, und
    dann ergriff er mit einer schlichten, erstaunlichen Geste mit seinen dünnen Morlockfingern meine Hand und hielt sie, wie ein Erwachsener die Hand eines Kindes halten mochte. Es war das erstemal seit diesen fürchterlichen Momenten, als der Konstrukteur mich restauriert hatte, daß ich die Berührung dieser kalten Finger spürte. Ich befürchte, daß ich vor lauter Angst aufgeschrien und mich tiefer in den Sitz gedrückt hatte, nur von dem Gedanken an Flucht erfüllt; und Nebogipfels schwache Hand packte die meine noch fester.
    Die Kuppel zerfiel weiter, und ich hörte, wie sie in feinen Partikeln auf das Zeitfahrzeug herabregnete. Die Plattnerit-Fäden wucherten tiefer in unsere zersplitternde Kuppel, wobei sie von Lichtknoten durchzogen wurden.
    Nebogipfel sagte: »Sie wollen uns mitnehmen – die Konstrukteure – diese Plattnerit-Wesen – zum Anfang der Zeit und vielleicht noch darüber hinaus... Aber nicht so.« Er deutete auf seinen zerbrechlichen Körper. »Wir könnten das niemals überleben – nicht eine Minute ... Ist dir das

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