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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Lebens handeln sollte! –, und ich hatte nicht vor, Energie für die Beruhigung des ängstlichen Affen in mir zu verschwenden, der glaubte, von seinem grünlich glühenden Baum zu fallen.
    Die Hauptstränge des Netzes waren wohl so dick wie mein Zeigefinger, obwohl
    sie so hell glühten, daß ich nicht wußte, ob meine Augen mir bei dieser Wahrnehmung nur einen Streich spielten. Diese Fäden teilten unregelmäßig ausgeformte Zellen mit einer Seitenlänge von vielleicht einem Fuß Länge ab: soweit ich sehen konnte, gab es keine zwei Zellen mit ähnlicher Form. Dünnere Fäden verliefen diagonal und waagrecht durch diese Hauptzellen und bildeten ein komplexes Muster aus Sub-Zellen; diese wurden ihrerseits wieder durch feinere Fäden unterteilt, und so weiter, bis zu den Grenzen meines optischen Auflösungsvermögens. Das
    erinnerte mich an die sich verzweigenden Fäden, mit denen die Hüllen der Konstrukteure bedeckt waren.
    An den Knoten, in denen diese Hauptstränge zusammenliefen, glühten Lichtpunkte in dem gleichen kräftigen Grün wie die übrige Umgebung; diese Punkte
    waren nicht stationär, sondern wanderten in den Fäden entlang oder explodierten in winzigen, lautlosen Blitzen. Man muß sich vorstellen, daß sich diese kleinen Bewegungen über das ganze Netz erstreckten, so daß das ganze Ding von einem
    sanften, wandernden Glühen und einer permanenten Evolution von Struktur und
    Licht erleuchtet wurde.
    Die ganze Angelegenheit wirkte sehr zerbrechlich auf mich – es war, als ob ich in einem Kokon aus mehreren Lagen von Spinnweben gefangen wäre – aber das
    ganze Ding hatte eine organische Qualität, und ich hatte den Eindruck, daß sich diese komplexe Struktur bald selbst reparieren würde, wenn ich aus Versehen ausholen und große Löcher in die Wände reißen würde.
    Und man muß sich vorstellen, daß das ganze Schiff von dieser merkwürdigen,
    konsistenten Qualität des Plattnerits durchdrungen war: ein Gefühl, daß das Schiff nicht solide in der materiellen Welt eingebettet, sondern nur virtuell und temporär war.
    Das Gewebe war so grobmaschig, daß ich durch die hauchdünne Hülle ›unseres‹
    Fahrzeuges die dahinterliegende Welt sehen konnte. Die Hügel und anonymen
    Gebäude des von den Konstrukteuren errichteten London existierten noch immer, und das ewige Eis war nach wie vor unberührt. Es war Nacht, und der Himmel war klar; der Mond segelte als silberne Sichel hoch im Sternenleeren All...
    Und ich sah noch weitere Plattnerit-Schiffe am desolaten Himmel dieser verlassenen Erde ihre Bahn ziehen. Sie hatten die Form riesiger Disken und die gleiche Netzstruktur wie das Schiff, in dem ich und Nebogipfel mich befanden; kleinere Lichter leuchteten und bewegten sich wie eingefangene Sterne in ihrem komplexen Innern. Das Eis der Weißen Erde war überall in das Glühen des Plattnerits getaucht; die Schiffe waren wie riesige, stumme Wolken, die unnatürlich niedrig über das Land zogen.
    Nebogipfel musterte mich, wobei das Plattnerit seiner Körperbehaarung einen
    intensiven grünen Schimmer verlieh. »Ist mit dir alles in Ordnung? Du wirkst etwas verstört.«
    Da mußte ich lachen. »Verstört? Das kann man wohl sagen...« Ich drehte mich
    auf meinem Platz um, griff hinter mich und fand eine mit den unidentifizierbaren Nüssen und Früchten gefüllte Schale, die der Konstrukteur für mich bereitgestellt hatte. Ich grub die Finger in das Essen und stopfte es mir in den Mund; der primitive, animalische Vorgang des Essens war eine willkommene Ablenkung von dem
    erstaunlichen, fremden Ambiente um mich herum. Ich fragte mich, ob das wohl
    meine letzte Mahlzeit war – das letzte Abendessen auf Erden! »Ich hatte vermutlich erwartet, daß unser Konstrukteur uns hier begrüßen würde.«
    »Aber ich glaube, daß er hier ist«, meinte Nebogipfel. Er hob die Hand, und seine bleichen Finger glühten in smaragdgrünem Licht. »Dieses Schiff besteht eindeutig aus denselben konstruktiven Elementen wie die Konstrukteure selbst. Ich glaube, man könnte sagen, daß sich ›unser‹ Konstrukteur noch hier befindet: aber jetzt wird sein Bewußtsein von einem der wandernden Lichtpunkte in diesem Netz aus Plattnerit repräsentiert. Und das Schiff steht sicherlich mit dem Informationsmeer in Verbindung – vielleicht könnte man sogar sagen, daß dieses Schiff selbst ein neuer Konstrukteur ist. Das Schiff ist lebendig ... so lebendig wie die Konstrukteure.
    Und doch, weil es aus Plattnerit besteht, muß dieses

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