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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Beobachtungsgabe, derer ich mich immer gerühmt habe!)
    »Was, zum Teufel, wollen Sie? Ist Ihnen klar, daß es ein Uhr nachts ist?«
    Ich öffnete den Mund und wollte etwas sagen – aber die kurze Ansage, die ich mir zurechtgelegt hatte, war mir schon wieder entfallen.
    Da stand ich also meinem sechsundzwanzigjähri-gen Alter ego gegenüber!

Moses
    Seit dieser Erfahrung bin ich davon überzeugt, daß wir uns alle, ohne Ausnahme, von unserem Spiegelbild täuschen lassen. Dieser Reflex ist dermaßen tief in uns verankert: Wenn auch unbewußt, orientieren wir uns an unseren besten Seiten und pressen unser Verhalten in ein Muster, das nicht einmal unser bester Freund erkennen würde. Und natürlich unterliegen wir nicht dem Zwang, uns von einer weniger vorteilhaften Seite zu zeigen: z. B. von hinten oder im Seitenprofil.
    Nun, hier war eine Spiegelung, die ich nicht unter Kontrolle hatte – und die au-
    ßerdem eine beunruhigende Erfahrung darstellte.
    Er hatte natürlich meine Größe: wenn überhaupt eine negative Veränderung eingetreten war, dann die, daß ich in den darauffolgenden achtzehn Jahren etwas geschrumpft war. Er hatte einen merkwürdigen Kopf: ungewöhnlich breit, genauso wie viele Leute es schon bei mir festgestellt hatten, und mit dünnem braunen Haar bewachsen, das bisher weder auszufallen noch zu ergrauen begonnen hatte. Die Augen waren stahlgrau, die Nase gerade, das Kinn ausgeprägt; aber ich war eigentlich noch nie ein besonders gutaussehender Bursche gewesen: Er war von Natur aus blaß, und diese Blässe wurde noch durch die langen Stunden verstärkt, die er seit seiner Jugend in Bibliotheken, Seminarräumen, Hörsälen und Laboratorien verbracht hatte.
    Ich verspürte eine vage Abscheu; ich hatte in der Tat etwas von einem Morlock an mir! Und hatte ich denn immer schon solche Segelohren gehabt?
    Aber es war die Kleidung, die wirklich meine Aufmerksamkeit erregte. Die Kleidung!
    Er trug das, was ich als die Kluft eines Braumeisters identifizierte: einen kurzen, hellroten Mantel über einer schwarzgelben Weste mit großen Messingknöpfen,
    große gelbe Stiefel und ein Blumensträußchen, das den Mantelaufschlag
    schmückte.
    Hatte ich jemals solche Klamotten getragen? Mußte ich wohl! – obwohl ich mir das angesichts meines jetzigen nüchternen Stils nur schwer vorstellen konnte.
    »Verdammt«, entfuhr es mir, »Sie sehen aus wie ein Zirkusclown!«
    Er wirkte irritiert – offensichtlich schien ihm mein Gesicht ansatzweise bekannt vorzukommen –, aber er blieb mir nichts schuldig: »Vielleicht sollte ich ihnen diese Tür ins Gesicht schlagen, Sir. Sind Sie extra den Hügel heraufgekommen, nur um meine Kleidung zu beanstanden?«
    Ich bemerkte, daß sein Blumenstrauß schon reichlich verwelkt war, und glaubte außerdem, eine leichte Schnapsfahne zu riechen. »Sagen Sie mir, ist heute Donnerstag?«
    »Was ist denn das für eine schwachsinnige Frage? Ich sollte wohl...« »Ja?«
    Er hielt die Kerze hoch und starrte mir ins Gesicht. Er war derart fasziniert von mir – von seinem eigenen, dicht unterhalb der Schwelle der Erkenntnis verborgenen Ich –, daß er den Morlock völlig ignorierte: ein Humanoider aus der entfernten Zukunft, der keine sechs Fuß von ihm entfernt stand! Ich fragte mich, ob dieser kleinen Szene vielleicht etwas Metaphorisches innewohnte: hatte ich die Zeitreise nur deshalb unternommen, um mich schließlich selbst zu finden?
    Aber ich habe für Ironie nichts übrig, und außerdem war ich ziemlich verärgert, weil ich mich überhaupt solchen schöngeistigen Erwägungen hingegeben hatte!
    »Es ist zufällig Donnerstag. Nein, es war Donnerstag – wir haben bereits Freitag.
    Aber was soll das überhaupt? Wissen Sie das denn nicht selbst? Wer sind Sie, Sir?«
    »Ich werde Ihnen sagen, wer ich bin«, versprach ich. »Und...« – ich zeigte auf den Morlock, woraufhin unser unfreiwilliger Gastgeber große Augen machte –
    »...wer das ist. Und weshalb ich nicht genau weiß, wie spät es ist und welchen Wo-chentag wir haben. Aber zunächst – dürfen wir eintreten? Ich würde nämlich gerne einen Schluck von Ihrem Brandy probieren.«
    Er stand vielleicht eine halbe Minute da. Am Kerzenhalter erstarrten Wachsperlen, und in der Nähe rauschte die Themse, während sie träge unter den Brücken von Richmond hindurchfloß. Dann meinte er schließlich: »Ich sollte euch auf die Straße setzen! –, aber...«
    »Ich weiß«, sagte ich verständnisvoll. Ich betrachtete meine jüngere

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