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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Blick von mir ab. »Setzen Sie sich«, meinte er. »Bitte. Ich hole den Brandy.«
    Ich setzte mich zu Nebogipfel – an meinen eigenen Eßtisch, in der Gesellschaft eines Morlocks! – und schaute mich um. In einer Ecke des Eßzimmers stand das alte gregorianische Teleskop auf seinem Stativ, das ich aus meinem Elternhaus mitgenommen hatte – ein primitives Gerät, das die Objekte nur verschwommen
    zeigte und mir dennoch in der Kindheit Einblicke in die Wunder des Himmels und die Faszination der Optik eröffnet hatte. Und hinter diesem Raum verlief der dunkle Gang zum Laboratorium, dessen Türen sorglos offenstanden; durch den
    Korridor konnte ich einen flüchtigen Blick in das Innere meines Arbeitszimmers werfen: die Geräteansammlungen auf den Werkbänken, auf dem Boden verstreute
    Konstruktionszeichnungen und diverse Werkzeuge und Instrumente.
    Unser Gastgeber kehrte zurück; vorsichtig balancierte er drei Whiskygläser und eine Karaffe. Er schenkte uns dreien ordentlich ein, und die Flüssigkeit funkelte im Kerzenlicht. »Bitte«, sagte er. »Ist Ihnen vielleicht kalt? Soll ich Feuer im Kamin machen?«
    »Nein«, erwiderte ich, »danke.« Ich hob das Whiskyglas, roch daran und ließ den Brandy über die Zunge rinnen.
    Nebogipfel rührte sein Glas nicht an. Er tauchte einen bleichen Finger in das Zeug, zog ihn heraus und leckte einen Tropfen von der Fingerspitze ab.
    Mein Gastgeber sah interessiert zu und wandte sich dann mir zu, wobei er sich sichtlich von diesem Anblick losreißen mußte: »Ich bin Ihnen gegenüber im
    Nachteil. Ich kenne Sie nicht. Aber Sie scheinen mich zu kennen.«
    »Ja.« Ich lächelte. »Aber ich weiß nicht so recht, wie ich es Ihnen beibringen soll.«
    Mit einem unbehaglichen Blick runzelte er die Stirn. »Ich wüßte nicht, warum das irgendein Problem darstellen sollte. Mein Name ist...«
    Ich hob die Hand; mir war gerade ein genialer Einfall gekommen. »Nein. Ich
    werde Sie – mit Ihrer Erlaubnis – Moses nennen.«
    Er nahm einen ordentlichen Schluck Brandy und musterte mich mit echtem Ärger in seinen grauen Augen. »Woher wissen Sie das nun schon wieder?«
    Moses – mein verhaßter Vorname, der mir in der Schule endlose Qualen beschert hatte – und den ich seit dem Verlassen meines Elternhauses unter Verschluß gehalten hatte!
    »Nur kommod«, meinte ich. »Ihr Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.«
    »Wissen Sie, ich habe langsam genug von diesen Spielchen. Sie platzen hier mit Ihrem – Begleiter – herein und äußern sich in mannigfaltiger Weise abfällig über meine Kleidung. Und nach wie vor weiß ich nicht einmal Ihren Namen!«
    »Aber«, wandte ich ein, »vielleicht wissen Sie ihn doch.«
    Er umschloß das Glas mit seinen langen Fingern. Er begriff, daß etwas Seltsames und Faszinierendes ablief – aber was? Ich konnte in seinem Gesicht mit Leichtigkeit diese Mischung aus Erregung, Ungeduld und ein wenig Angst erkennen, die ich bei der Konfrontation mit dem Unbekannten selbst so oft verspürt hatte.
    »Schauen Sie«, meinte ich, »ich bin bereit, Ihnen alles zu sagen, was Sie wissen möchten, wie ich es versprochen habe. Aber zuerst...«
    »Ja?«
    »Es wäre mir eine Ehre, Ihr Laboratorium besichtigen zu dürfen. Und ich bin sicher, daß Nebogipfel sich auch dafür interessieren würde. Erzählen Sie uns etwas von sich«, ersuchte ich ihn. »Und auf diesem Wege werden Sie auch etwas von mir erfahren.«
    Er saß für eine Weile da und hielt sein Glas umklammert. Dann füllte er mit einer schnellen Bewegung unsere Gläser nach, erhob sich und holte die Kerze vom Ka-minsims.
    »Folgen Sie mir.«

Das Experiment
    Mit in die Höhe gehaltener Kerze führte er uns den kalten Korridor zum Laboratorium hinunter. Diese paar Sekunden werde ich nie vergessen: Das Licht der Kerze projizierte große Schatten von Moses' breitem Schädel, und sein Jackett und die Stiefel glitzerten im düsteren Licht; hinter mir das leise Patschen der Füße des Morlocks und der im engen Raum voll zur Entfaltung kommende süßlich-faulige
    Gestank.
    Im Laboratorium ging Moses an den Wänden und Werkbänken entlang und entzündete Kerzen und Laternen. Bald war der Raum hell erleuchtet. Die Wände waren weiß getüncht und völlig schmucklos – abgesehen von Moses' Aufzeichnungen, die er überall an die Wand geheftet hatte – und der einzige Bücherschrank war mit Journalen, Lehrbüchern, mathematischen Tabellen und physikalischen Meßergebnissen vollgepackt. Der Raum war kalt; ich fror in meinem Hemd

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