Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
weiteren erstaunlichen Errungenschaften der Kriegsführung dieses düsteren Zeitalters: von Jagdunterseebooten zur Durchführung des Gaskrieges mit praktisch unbegrenzter Reichweite und einem Bestand von einem halben Dutzend Raketen, die einen formidablen Vorrat an Gasgranaten trugen; von einer Flut von eisernen Kampffahrzeugen, von denen ich mir vorstellte, wie sie durch das zerschlagene Europa pflügten; von anderen ›Juggernauts‹, die unter Wasser fahren, schwimmen oder sich unterirdisch fortbewegen konnten; und all dem stand ein gleichermaßen gigantisches Arsenal an Fallen, Giftgasgürteln, Minen und Geschützen aller Kaliber gegenüber.
    Ich wich Nebogipfels Blick aus; ich konnte sein Urteil nicht ertragen! Denn dies war kein Fleck in einer Himmelssphäre, die von weit entfernten, abhumanen
    Nachkommen der Menschheit bevölkert wurde: dies war meine Welt, meine Rasse, die in einen Kriegstaumel verfallen war! Was mich betraf, so verfügte ich noch immer über einen Teil der übergeordneten Perspektive, die ich mir im Innern dieser großen Konstruktion angeeignet hatte. Ich konnte den Anblick kaum ertragen, wie sich meine eigene Nation einem solchen Wahnsinn hingab, und es schmerzte mich, Moses' Beiträge zu hören, die naturgemäß die Vorstellungen seiner Zeit wi-derspiegelten. Ihm konnte ich kaum etwas vorwerfen! – aber die Erkenntnis depri-mierte mich, daß meine eigene Vorstellung auch einmal so begrenzt, so formbar gewesen war.

Eine Reise mit der Eisenbahn
    Wir erreichten einen schlichten Bahnhof. Aber das war nicht der Bahnhof, den ich 1891 aufgesucht hatte, um von Richmond über Barnes nach Waterloo zu fahren;
    diese neue Einrichtung befand sich nicht mehr im Stadtzentrum, sondern gleich an der Kew Road. Und es war ein merkwürdiger Bahnhof: es gab nichts derartiges
    wie Fahrkartenschalter oder Tafeln mit Fahrplänen, und der Bahnsteig war ein nackter Betonstreifen. Die neue Linie war ziemlich nachlässig verlegt. Ein Zug wartete auf uns: die Lokomotive war ein unansehnliches, dunkles Gerät, das traurige Dampfwolken über den rußverschmierten Kessel blies, und sie zog nur einen Waggon. Die Lokomotive wies weder eine Beleuchtung noch die Aufschrift der
    staatlichen Eisenbahngesellschaft auf.
    Soldat Oldfield schob die Waggontür auf; sie war schwer, mit einer umlaufenden Gummidichtung an der Kante. Oldfields Augen hinter der Maske überflogen das
    Innere. Richmond, an einem sonnigen Nachmittag im Jahre 1938, war kein sicherer Ort!
    Der Waggon war spartanisch ausgestattet: es gab einige Reihen harter Holzbänke
    – und das war schon alles –, ansonsten weder Polsterung noch irgendwelchen
    Schmuck. Der Anstrich war ein uniformes Dunkelbraun ohne jeden ästhetischen
    Anspruch. Die Fenster waren versiegelt, und sie hatten Rollos, mit denen sie verdunkelt werden konnten.
    Wir suchten uns Plätze, auf denen wir uns dann ziemlich steif gegenübersaßen.
    An diesem sonnigen Tag war die Hitze im Waggon unerträglich.
    Als Oldfield die Tür geschlossen hatte, setzte der Zug sich schleppend in Bewegung.
    »Offensichtlich sind wir die einzigen Passagiere«, murmelte Moses.
    »Nun, es ist ja auch ein seltsamer Zug«, stellte ich fest. »Eher spärlicher Kom-fort, Filby – eh?«
    »Dies ist auch keine Zeit für Luxus, mein Freund.«
    Wir fuhren einige Meilen durch eine desolate Landschaft, wie wir sie schon um Richmond gesehen hatten. Ich hatte den Eindruck, daß das Land überwiegend in Anbauflächen verwandelt worden und fast menschenleer war, obwohl ich zuweilen ein paar Leute sah, die ein Feld bestellten: es hätte ein Stilleben aus dem fünf-zehnten Jahrhundert sein können und keine Szene aus dem zwanzigsten – abgesehen von den zerstörten und ausgebombten Häusern, welche die Landschaft ver—
    schandelten, wobei an manchen Stellen die imponierenden Silhouetten von Luft-schutzbunkern auftauchten – große, halb in den Boden eingelassene Betonpanzer.
    Bewaffnete Soldaten gingen in der Umgebung dieser Bunker Streife und beäugten die Welt käferartig durch ihre Gasmasken, als ob sie eventuelle Flüchtlinge von einer Annäherung abhalten wollten.
    In der Nähe von Mortlake sah ich am Straßenrand vier Leute an Telegraphenmasten baumeln. Ihre Körper waren schlaff und verkohlt, und offensichtlich waren sie schon von Vögeln angenagt. Ich erzählte Filby von diesem schrecklichen Anblick
    – er und die Soldaten hatten von der Gegenwart der Leichen nicht einmal Notiz genommen – und er wandte seinen

Weitere Kostenlose Bücher