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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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jedoch, die ich von Oldfield erhalten hatte, war zwar großzügig geschnitten und hatte auch eine gute Paßform, war aber dennoch höchst unangenehm. Die beiden Brillengläser beschlugen fast augenblicklich, und das aus Gummi und Leder fabrizierte Teil entwickelte sich bald zu einer Sauna. »Daran werde ich mich nie ge-wöhnen.«
    »Ich hoffe, daß wir nicht so lange hier sind, damit es erforderlich wird«, zischte Moses ungehalten, wobei seine Stimme durch die Maske gedämpft wurde.
    Ich wandte mich Nebogipfel zu. Der arme Morlock – der schon von seiner
    Schuluniform eingeschnürt war – wurde jetzt von einer lächerlichen Maske gekrönt, die ihm mehrere Nummern zu groß war: als er den Kopf drehte, schlackerte tatsächlich der wie ein Insektenauge aussehende Filter, der vorne an dem Ding hing.
    Ich tätschelte ihm den Kopf. »Wenigstens fällst du jetzt unter all den Menschen nicht mehr so auf, Nebogipfel!«
    Er würdigte mich keiner Antwort.
    Wir tauchten aus der metallenen Gruft des Raglan in einen strahlenden Sommertag ein. Es war gegen vierzehn Uhr, und das Sonnenlicht sprühte über die Tarnfarben des 'Naut. Meine Maske beschlug sofort und füllte sich mit Schweiß, woraufhin ich mir das schwere, enge Ding am liebsten vom Kopf gerissen hätte.
    Der Himmel über mir war weit, tiefblau und wolkenlos – obwohl ich hier und da dünne weiße Linien und Wirbel sehen konnte, Spuren von Wasserdampf oder Eis-kristallen, die in den Himmel geätzt waren. Am Ende einer solchen Spur sah ich ein Glitzern – vielleicht war es Sonnenlicht, das von irgendeiner metallenen Flugmaschine reflektiert wurde.
    Der Juggernaut hockte auf einer Version der Petersham Road, die sich von 1873
    und selbst von 1891 deutlich unterschied. Ich sah, daß die meisten Häuser aus meiner Zeit noch standen: sogar mein eigenes stand hinter einem Absperrgitter, das korrodiert und mit Grünspan überzogen war. Aber die Gärten und Rasenflächen
    schienen durchgehend umgegraben worden zu sein; jetzt gedieh dort eine mir unbekannte Gemüsesorte. Und außerdem registrierte ich, daß viele Häuser schwere Schäden aufwiesen. Von einigen stand nur noch wenig mehr als die Fassade, wobei die Dächer und Innenstrukturen weggerissen worden waren: hier und da waren
    Gebäude ausgebrannt und vom Feuer geschwärzt; und andere existierten überhaupt nur noch als Trümmerhaufen. Auch mein Haus war beschädigt, wobei jetzt das
    Sonnenlicht dem Haupthaus als Dach diente, und das Laboratorium war ganz zer-stört. Und der Schaden war nicht erst vor kurzem eingetreten: das Leben, grün und vital, hatte das Innere vieler Häuser zurückerobert; die Überreste von Zimmern und Fluren waren mit Moos und jungen Pflanzen tapeziert, und Efeu hing wie bizarre Gardinen vor den klaffenden Fensterhöhlen.
    Ich sah, daß der zur Themse abfallende Hang noch immer mit Bäumen bestanden
    war, doch selbst diese zeigten Anzeichen von Schäden: Ich sah die Stümpfe abgebrochener Äste, verkohlte Stämme und dergleichen. Es war, als ob ein Feuersturm hier durchgezogen wäre. Die Pier war unbeschädigt, aber von der Richmond
    Bridge waren nur noch die geschwärzten und gekappten Grundpfeiler übrig, wobei die eigentliche Brückenkonstruktion völlig zerstört war. Ich sah, daß ein großer Teil der zwischen dem Fluß und Petersham liegenden Wiesen von dem gleichen
    Gewächs mit Beschlag belegt worden war, das auch die Gärten übernommen hatte, und auf dem Fluß selbst trieb brauner Schaum.
    Es war niemand zu sehen. Der Verkehr ruhte; Unkraut war durch Risse in den
    Fahrbahnen gebrochen. Ich hörte keine Stimmen – kein Lachen oder Rufen, keine spielenden Kinder – keine Tiere, keine Pferde, keine singenden Vögel.
    Von der Lebendigkeit, die diesen Ort früher an einem Nachmittag im Juni erfüllt hatte – das Blitzen von Rudern, das Lachen der Ausflügler, die flußaufwärts fuhren
    – war nichts mehr geblieben. Angesichts dieses desolaten Zustandes mußte ich an die Regatten und Sommerfeste denken, für die diese Gegend zu meiner Zeit so
    bekannt gewesen war. Ich erinnerte mich an Feuerwerke, an Hunderte von beleuchteten Booten, die den Strom herunterkamen, und an die in vollem Lichter-glanz erstrahlenden Häuser am Ufer...
    All das war verschwunden, in diesem düsteren Jahr; und vielleicht für immer.
    Dies war ein verlassenes Richmond, ein Friedhof. Das erinnerte mich an die herrschaftlichen Ruinen in der Gartenwelt von 802701. Ich wähnte das alles weit weg von mir; niemals

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