Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
sterben wirst?«
Ich nicke. »Diese Version von mir wird aufhören zu existieren.«
»Ein Himmelfahrtskommando also.«
»Schätze schon, aber ich sehe es nicht so. Wenn ich Marina eine Chance geben kann, dem zu entkommen, was ich durchgemacht habe, was du mir angetan hast« – er zuckt bei diesen Worten zusammen – »dann ist es mir egal, dass ich diese zweitklassige Existenz aufgeben muss.« Wer wird sie werden, wenn sie nicht ich wird? Wird sie studieren, Kinder kriegen? Wird sie ein Jahr durch Europa reisen? Als Mutprobe Fallschirmspringen? All die anderen Dinge tun, von denen ich in meiner Betonzelle immer geträumt habe?
Er holt tief Luft, während er meine Antwort sacken lässt. »Aber warum …«
Die angefangene Frage bleibt in der Luft hängen, und er zögert, bevor er es noch einmal versucht. Diesmal ist seine Stimme leiser.
»Wenn ich wirklich eine Zeitmaschine erfunden habe«, sagt er, »wo sind dann meine Eltern? Warum habe ich sie nicht gerettet?«
Eine gute Frage, die ich mir selbst oft gestellt habe. James hätte sich niemals so sehr in die Idee des Zeitreisens verbissen, wenn seine Eltern nicht gestorben wären, als er noch ein Kind war.
»Ich bin mir nicht sicher«, sage ich. »Ich kenne dein älteres Ich, das aus meiner Zeit, ziemlich gut, und ich denke, dass du Angst davor hattest, dass sie zu retten und in einer glücklichen Familie aufzuwachsen auch bedeuten würde, dass dich die Zeit nie genug interessiert hätte, um sie kontrollieren zu wollen. Und du liebst die Macht, die dir das Zeitreisen verleiht, zu sehr, als dass du das riskieren würdest. Vielleicht existiert irgendwo eine Zeitlinie, in der du eine andere Entscheidung getroffen hast, aber es ist nicht diese hier, deshalb muss ich dich immer noch aufhalten.«
James vergräbt die Finger im Haar und blickt zu Boden. »Warum willst du mich töten?«
»Ich will es nicht.« Die Worte hören sich barscher an als beabsichtigt. »Gott, James, ich wollte das hier nie. Aber … alles ist so schlimm …«
»Warum?«, fragt er. »Ich muss wissen, was du meinst.«
Ich seufze und lasse die Waffe in meinen Schoß sinken. Auch so kann ich sie noch immer hochreißen und abfeuern, bevor er sich mehr als ein paar Zentimeter bewegt. »Es beginnt etwa in einem Jahr. Du arbeitest für Richter und die SIA . Das hier sind nicht die Associated Institutes of Research, es ist die Security and Intelligence Administration, ein verdeckter Arm der CIA , der mit dem Pentagon gemeinsame Sache macht. In meiner Erinnerung passiert alles zum großen Teil so, wie es sich hier bisher abgespielt hat. Du begegnest Richter, weil er mit Nates Fall befasst ist. Er interessiert sich für deine Arbeit zur vierten Dimension, und er hat Mittel, die du nirgendwo sonst bekommst. Unsere Beziehung wird schlechter. Ich mag Richter nicht, und ich habe Angst vor den Veränderungen, die ich an dir sehe.«
»Was für Veränderungen?«
»Du wirst noch besessener von deiner Arbeit.« Ich rufe mir ein Bild von James mit achtzehn Jahren vor Augen, wie er mir seine Theorien erklärt und die Leidenschaft seine Stimme so aufgeregt klingen lässt, dass es fast schon manisch wirkt. »Dein Idealismus gehört zu den Dingen, die ich immer am meisten an dir geliebt habe, aber je näher die Möglichkeit rückt, die Welt tatsächlich zu verändern, desto unbeugsamer wirst du. Du bist so überzeugt, Recht zu haben, dass du keinerlei Zweifel zulässt. Es hat schon angefangen.«
Seine Augen blicken durch mich hindurch. »Als ich mit Richter weggefahren bin, obwohl sie sagten, dass ich verletzlich bin und ihm nicht zu trauen ist.«
»Und es wird noch schlimmer«, sage ich. »Viel schlimmer. Irgendwann, ich bin mir nicht sicher, wann, baust du die Maschine in einem geheimen Regierungslabor im ländlichen Pennsylvania. Du nennst sie Cassandra. Ab da wird sich alles ändern.«
»Was denn?«
»Alles. Zum Beispiel formten die europäischen Länder vor Cassandra eine große Einheit namens Europäische Union«, sage ich. »Sie hatten eine gemeinsame Regierung, eine Währung, alles. Das wäre der heutige Stand der Dinge, wenn du und Richter nicht Cassandra dazu benutzt hättet, in die Zeit zurückzureisen und zu verhindern, dass das jemals passiert.«
»Warum?«, fragt James verwirrt.
Ich zucke die Achseln. »Richter hat dich davon überzeugt, dass die Europäische Union eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellt.«
»Woher weißt du das?«
»Du hast es mir gesagt«, sage ich. »Bei
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