Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
wahrscheinlich nichts. Unser Treffpunkt ist vor der Bank an der Ecke.«
Ich sehe mir jedes Gesicht an, das unter mir vorüberzieht. Zweifellos gibt es mehrere Notausgänge, aber wenn Richter und James diesen benutzen, kann ich dem hier und jetzt ein Ende machen.
Nach ein oder zwei Minuten ist der stetige Strom aus Männern und Frauen zu einem Tröpfeln versiegt. Sie müssen einen anderen Notausgang genommen haben. Ich muss zu der Bank an der Ecke gehen. Es wird schwerer sein, James in einer großen Gruppe Menschen zu erschießen, noch dazu allesamt Geheimdienstler, aber ich kann es schaffen.
Dann tritt ein Mann ins Treppenhaus, und noch bevor ich sein Gesicht sehe, erkenne ich Chris Richter.
»Haben Sie einen Jungen hier durchkommen sehen?«, fragt er den Wachmann. »Siebzehn, groß, dunkles Haar?«
Ich umklammere den Pistolengriff, der plötzlich feucht unter meinen Fingern ist. Sie sind nicht zusammen?
Der Mann schüttelt den Kopf. »Er wird über eine der anderen Treppen nach unten gegangen sein.«
»Ich muss nachsehen …« Richter dreht sich um, doch die Hand des Wachmanns auf seiner Schulter hält ihn zurück.
»Tut mir leid, Sir, aber Sie müssen jetzt das Gebäude verlassen. Das ist Vorschrift.«
»Aber da drin ist vielleicht noch ein verängstigter Junge«, sagt Richter, als ob er sich einen Dreck um James scheren würde.
»Hoskins und Grant gehen das ganze Stockwerk ab. Wenn noch jemand drin ist, bringen sie ihn heraus.«
Richter flucht, und ich sehe den Widerstreit in seinem Gesicht. Wenn James noch im Gebäude ist, muss er ihn finden. Aber wenn er eine andere Treppe benutzt hat, muss er rasch zu ihm.
»Sie geben mir Bescheid, sobald Sie ihn sehen, verstanden?«, bellt er.
»Ja, Sir.«
Richter läuft eilends die Treppe hinunter, während der Wachmann einen Ärmel an den Mund hebt, um in sein Funkgerät zu sprechen. »Alle draußen, Hoskins? … Roger. Ich schließe die südöstliche Tür. Mancini, schließ die nordwestliche. Wir sehen uns an der Bank, Leute.«
Der Wachmann lässt die Etagentür hinter sich zufallen und beginnt den Abstieg dreiundzwanzig Stockwerke hinab. Ich handle instinktiv, reiße mir den Kapuzenpulli vom Leib, beuge mich übers Geländer und werfe ihn hinunter. Meine Glückssträhne hält an. Der Pullover landet auf der Schwelle und stoppt die zufallende Tür, sodass sie einen Spalt breit offen bleibt. Wenn James von Richter getrennt wurde, dann sicher, weil er es so wollte. Etwas sagt mir, dass er sich noch immer auf dieser Etage befindet.
Sobald die Schritte des Wachmanns verklungen sind, laufe ich vom obersten Treppenabsatz herunter und betrete das dreiundzwanzigste Stockwerk. Die Tür schließe ich leise hinter mir. Außer dem roten Notlicht sind alle Lampen ausgeschaltet, was das Großraumbüro feindselig und gespenstisch aussehen lässt. Ich passiere den Metalldetektor auf der anderen Seite der Tür, was der Kakofonie des Feueralarms ein weiteres Alarmgeheul hinzufügt. Mich beschleichen Zweifel, während ich tiefer in den Raum vordringe. Lasse ich James gerade wieder entkommen? Vielleicht sollte ich die Treppen hinunterlaufen, um ihn am Treffpunkt zu suchen. Aber meine Intuition beharrt darauf, dass er noch hier ist. Dass Richter ihn aus den Augen verloren hat und so fieberhaft wiederzufinden versucht, lässt mich annehmen, dass zwischen ihnen etwas vorgefallen ist. Gab es einen Streit? Hat Richter James etwas gesagt, auf das er noch nicht vorbereitet war?
Vielleicht klammere ich mich an einen Strohhalm, aber ich glaube es nicht. Ich weiß besser als jeder andere, dass James sich gern versteckt, wenn er durcheinander ist.
Ich rase durch das Büro, die Waffe vor mich haltend. Ich spähe in Bürozellen und durch die Glaswände von verschlossenen Konferenzräumen, aber ich habe keine Zeit, gründlich zu suchen. Es gibt hundert Orte, an denen er sich versteckt haben könnte, und meine Angst wächst mit jeder Sekunde, die Finn nicht anruft, um mir zu sagen, dass Marina in Sicherheit ist. Ich muss James jetzt finden, und zum Glück glaube ich zu wissen, wohin er gehen würde. An denselben Ort, an dem er sich auch an der Sidwell versteckt hat, wenn ihm alles zu viel wurde.
Während ich zur Herrentoilette laufe, verstummt der Alarm, was wahrscheinlich heißt, dass die Feuerwehr irgendwo unter mir ihre Arbeit verrichtet. Ich öffne die Tür zum Waschraum mit dem Fuß, die Hände fest um die Waffe geschlossen. Es sieht verlassen aus. Ich gehe in die Hocke, um unter die
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