Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
mit ihm ausgehe? Vor einem Monat wäre mir dieser Gedanke nicht gekommen, aber jetzt …
»Kann ich mich richtig in Schale werfen?«, frage ich.
»Abendgarderobe. Und du dachtest, du hättest nie wieder Gelegenheit, dein Kleid vom Winterball anzuziehen.«
Ein schickes Dinner in einem Ballsaal mit James im Smoking. Ja, ich glaube, damit komme ich klar. Vor meinem geistigen Auge entsteht sofort eine ausführliche Fantasie: James’ Gesicht, wenn er mich in meinem Kleid sieht, unsere Hände, die sich streifen und einen Moment zu lange berühren, als wir nach der Butterschale greifen, der spontane Tanz, zu dem er mich unter einer Straßenlaterne in seine Arme zieht. Er wird sich zu mir herunterbeugen und sagen, was er mir seit Wochen sagen will: dass er in mich verliebt ist und ohne mich nicht leben kann.
»Finn kommt auch.«
Der Traum zerplatzt zu meinen Füßen, und ich verziehe das Gesicht. Finn Abbott ruiniert einfach alles .
James sieht mein Gesicht und lacht. »Du solltest ihm eine Chance geben. Ich glaube, du könntest ihn wirklich mögen. Er mag dich .«
»Ach, du merkst es einfach nicht, wenn jemand lügt. Das ist schon fast süß.«
»Wie auch immer …«
»Ich begreife einfach nicht, warum du ihn magst. Er ist ein Idiot.«
»Nein, ist er nicht. Er ist ein Computercrack, weißt du, er baut sie sogar selbst.«
»Okay, dann ist er eben ein Riesennerd, so wie du. Er ist aber immer noch ein Idiot.«
»Er ist witzig«, sagt James. »Und er behandelt mich wie einen normalen Menschen. Könntest du versuchen, wenigstens einen Abend lang nett zu ihm zu sein?«
Ich seufze. »Aber wenn die Benefizveranstaltung langweilig wird, muss ich mich doch irgendwie amüsieren.«
Er lächelt, und ich könnte schwören, dass das Zimmer ein bisschen heller wird. »Du bist also dabei?«
Es mag nicht ganz das Märchen werden, auf das ich gehofft hatte, aber James wird immer noch Smoking tragen. Auch wenn Finn mit von der Partie ist. »Absolut.«
»Klasse! Dann solltest du jetzt besser wieder ins Bett gehen. Es ist schon spät.«
»Ach, wirklich? «
»Haha.« Er will schon aufstehen, doch dann hält er inne. »Ach, warte mal. Was wolltest du mir vorhin eigentlich sagen?«
Ich fühle mich nur lebendig, wenn du bei mir bist.
Ich schlucke. Ich kann es ihm nicht sagen, nicht jetzt. »Nichts. Ein andermal.«
»Ja«, sagt er. »Finde ich auch. Wahrscheinlich ist es besser, wenn du nicht halb schläfst.«
»Ja«, flüstere ich.
»Nacht, Marina.«
Er legt auf und geht, und einen Augenblick später erlischt das Licht in seinem Zimmer. Ich drücke das Gesicht ans Fenster und atme aus, sodass die Scheibe anläuft. Mit der Fingerspitze male ich ein Herz hinein.
» Was hast du getan?«, fragt Tamsin, als ich die Tür öffne.
»Nichts!«, sage ich. »Ich konnte gar nichts sagen oder tun! Er meinte, er müsste mir etwas sagen, und ich meinte, ich auch, aber dann konnte ich es nicht. Deshalb hab ich einfach so getan, als wäre alles ganz normal, und dann kam Finn Abbott …«
Tamsin verzieht das Gesicht.
»… und ich bin gegangen! Ich brauche deine Hilfe.«
Sie hakt sich bei mir ein. »Du bist ein total hoffnungsloser Fall, Marina, aber wenn überhaupt jemand dein jämmerliches Liebesleben auf Vordermann bringen kann, dann bin ich es.«
Sie führt mich nach oben und drückt mich auf mein Bett, dann inspiziert sie meinen Schrank, meinen Schmuck und meine Schminksachen – das meiste hat sie mit ausgesucht – und sammelt sich ihr ›Werkzeug‹ zusammen. Sophie kommt zwanzig Minuten später mit einem Beutel voller Schuhe und einem Trolley mit Make-up und Haarprodukten. Sie brechen einen Streit vom Zaun über die Vorzüge von glitzerndem Lidschatten gegenüber nicht-glitzerndem Lidschatten und schicken mich zum Duschen.
Als ich in meinem Bademantel wieder auftauche, sind beide bereit. Sophie lässt mich auf meinem Stuhl am Schreibtisch Platz nehmen, wo eine ganze Palette von Produkten vor mir aufgereiht liegt. »Wir kriegen das hin«, sagt sie. »Du wirst zum Anbeißen aussehen.«
Tamsin beginnt mit meinem Make-up und Sophie mit meiner Frisur, und ich schließe einfach die Augen und lasse es geschehen. Sie sind gut in diesen Dingen, und ich bin es offensichtlich nicht. Heute Abend nicht bescheuert auszusehen ist Schritt eins zu dem hehren Ziel, nicht bescheuert zu sein .
Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie ich mich verhalten soll.
»Wir haben geredet, als du unter der Dusche warst«, sagt Tamsin. »Und wir sind uns
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