Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
zwischen uns war plötzlich elektrisch aufgeladen, und ich konnte die Hitze spüren, die sein Körper abstrahlte. Doch er zog sich zurück, und der Moment war vorbei. Wir wünschten uns eine gute Nacht. Das war das letzte Mal, dass wir uns sahen.
Ich konnte mir das doch nicht nur eingebildet haben, oder?
»James«, krächze ich.
»Ja?«
»Ich …« Ogottogottogott. »Hab ich dir gefehlt?«
Ich könnte mir eine runterhauen.
Er schenkt mir sein umwerfendstes Lächeln. »Natürlich.«
»Warum hast du dann nicht angerufen?«, frage ich mit einer Stimme, die der eines getretenen Welpen sicher nahe kommt, wenn ein Welpe denn sprechen könnte.
»Das ist es ja eben.« Er rückt näher, nimmt meinen Ärmel zwischen zwei Finger und reibt mit dem Daumen über ein Rentier mit Weihnachtsmannmütze. Ich kriege keine Luft mehr. »Das, was ich dir sagen muss …«
Das Läuten an der Haustür unterbricht uns. Ich zucke zusammen, und James lässt meinen Ärmel los.
»Das muss Abbott sein«, sagt er. »Ich habe ihm eine SMS geschickt, als wir gelandet sind.«
Ich versuche zu lächeln und spüre, dass sich meine Lippen unangenehm über den Zähnen straffen. »Super.«
James trabt zur Haustür, erfreut, seinen anderen besten Freund zu sehen, den, bei dem er sich gemeldet hat. Ich bleibe in der Küche und mampfe einen riesigen Löffel Eiscreme, weil ich mich gerade selbst nicht leiden kann. Ich höre, wie sich die beiden Jungen in der Eingangshalle begrüßen; sicher versuchen sie sich an einer dieser seltsamen halben Jungenumarmungen oder an einem mannhaften Schulterklopfen. Ich wusste von dem Moment an, in dem ich die beiden beim Körbewerfen und Computerfachsimpeln erwischte – letztes Jahr, als James zur Sidwell kam, um mich nach der Tennisstunde abzuholen –, dass er zum Problem werden würde. Und ich hatte Recht.
Ich hasse ihn.
»Hey, Marina!«, sagt er, während er James in die Küche folgt. »Süßer Pyjama.«
Ich rolle mit den Augen und sage nichts. Ich sehe ihn nicht mal an.
»Tut mir leid«, sagt er. »Ich wollte eure Party nicht stören.«
Ich werfe ihm einen beiläufigen Blick zu, und seine Augen strahlen spöttisch und selbstzufrieden. Oh ja, es tut ihm wirklich leid. Der Neue, der früher am äußersten Rand des Basketballtischs zu Mittag gegessen hat, aber keine richtigen Freunde hatte, ist der Einzige, der sich bei James einschmeicheln konnte; er weiß genau , was er tut. James schiebt ihm einen Löffel rüber, als Nate aus dem ersten Stock erscheint.
»Hi, Marina«, sagt er. »Hi, Mr. Abbott.«
»Hey, Herr Abgeordneter.«
»Ihr wisst doch, dass ich es nicht mag, von euch so genannt zu werden«, sagt er und holt eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Nate ist fast doppelt so alt wie James und hat ihn aufgezogen, seitdem er zwölf war. Aber er ist kein Ersatzvater oder so. Er joggt im Sommer ohne T-Shirt durchs Viertel, ist der Einzige, der die Jungen bei Call of Duty schlägt, und schmuggelt mich immer noch manchmal in nicht jugendfreie Filme. »Ich muss schnell für ein paar Stunden ins Büro. Streng geheime Spionagearbeit.«
Nate ist im Heimatschutzausschuss und tut gern so, als wäre er James Bond. »Also Papierkram?«, frage ich.
»Ganz genau, Besserwisserin.« Er drückt mir einen Kuss auf den Kopf. »Brennt das Haus nicht nieder, während ich weg bin, okay?«
James’ dämlicher Freund salutiert. »Jawohl, Sir!«
»Sehr komisch.«
»Ich gehe besser auch«, sage ich. Ich will Nates Abgang als Gelegenheit nutzen, hier rauszukommen. Die Vorstellung, James könnte danach fragen, was ich ihm sagen wollte, während sein Freund dabeisitzt, verursacht mir Brechreiz. »Mom flippt sonst aus.«
»Ich hole meine Aktentasche und begleite dich hinaus«, sagt Nate.
»Hey«, sagt Abbott. »Ich wollte dich nicht vertreiben.«
»Als ob du das könntest.«
»Lass uns später weiterreden, ja?«, fragt James und nimmt meine Hand. »Ich muss noch ein bisschen arbeiten, aber dann …«
In meiner Brust wird es eng. Ich bin einfach erbärmlich. »Klar.«
Nate taucht wieder auf, im Mantel, die Aktentasche unterm Arm. »Bist du so weit?«
»Nacht, Marina!«, sagt der Volltrottel. »Und träum was Süßes!«
Ich boxe seine Schulter beim Hinausgehen. Hart. »Halt die Klappe, Finn.«
»Wie war Connecticut?«, frage ich Nate, während wir das Haus verlassen.
Er zuckt die Achseln und lässt den Autoschlüssel um den Zeigefinger wirbeln. »Gut. Aber es ist auch schön, wieder daheim zu sein. James hat dich
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