Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
wirklich vermisst.«
Ich strahle. »Echt?«
»Darauf kannst du wetten.« Er verwuschelt mir das Haar, was entweder ein Shaw-Gendefekt oder eine Marina-ist-immer-noch-zwölf-Attitüde ist. »Ich dich auch.«
»Danke. Arbeite nicht zu viel, okay?«
Vielleicht liegt es an der Beleuchtung, als wir aus dem Schatten ins Licht einer Straßenlampe treten, aber Nates Gesichtsausdruck scheint sich zu verändern, härter zu werden. Er lächelt mich an, doch es wirkt anders als sonst. »Mal sehen.«
»Bist du okay?«, frage ich. Mir fällt zum ersten Mal auf, dass dunkle Ringe unter seinen Augen liegen, und seine Haut sieht seltsam straff aus, als wären die Muskeln darunter verkrampft vor Anspannung. »Du siehst ziemlich grässlich aus.«
»Aua.« Nate fasst sich an den Bauch, als hätte ich ihm einen Schlag versetzt. »Das saß.«
Ich grinse. »Du weißt, was ich meine. Ist alles in Ordnung? Kanada will doch hoffentlich nicht bei uns einmarschieren, oder?«
»Nein, so schrecklich wird’s wohl nicht«, sagt er, während er das Auto aufschließt und die Aktentasche auf den Beifahrersitz wirft. »Ich hatte einfach viel mit einer Untersuchung zu tun. Das hat mich den ganzen Urlaub gekostet. Aber es ist nichts, worüber du dir Gedanken machen musst.«
»Oh. Na gut.«
»Könntest du …« Nate fährt sich mit der Hand über die Stirn. »Entschuldige, Marina, es fällt mir nicht ganz leicht, dich das zu fragen.«
»Was denn?«
»Könntest du … für mich ein bisschen auf James aufpassen?«
Ich runzle die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Ich mache mir Sorgen, dass er zu viel arbeitet.«
Ich lache. »Er arbeitet immer zu viel!«
»Ja«, sagt Nate. »Aber diesmal ist es anders. Kannst du es mich einfach wissen lassen, wenn er etwas Komisches sagt oder anfängt, sich anders zu verhalten? Anders für seine Verhältnisse, meine ich.«
Ein kalter Hauch zieht mir über den Rücken, und ich ziehe den Mantel fester um mich. Draußen ist es kälter, als ich dachte. »Klar. Schätze schon.«
»Danke, Marina«, sagt Nate. »Du bist eine gute Freundin. Und jetzt mach, dass du reinkommst, bevor du ein Eiszapfen wirst.«
Ich lächle und gehe über den Rasen zurück. »Gute Nacht, Herr Abgeordneter.«
»Nate!«, ruft er mir nach und wartet neben seinem Auto, bis ich sicher wieder zuhause angekommen bin.
Ein leises Trillern reißt mich aus den Tiefen des Schlafs. Ich schaffe es, ein Auge blinzelnd zu öffnen, und greife nach meinem Handy, das blau in meinem dunklen Schlafzimmer aufleuchtet. »James« steht auf dem Display.
»Uh.« Ich drücke auf den grünen Hörer. »Was willst du, du Irrer?«
»Ich hab dich doch nicht geweckt, oder?«, fragt er.
»Natürlich nicht. Es ist ja nur …«, ich sehe auf die Uhr, »… halb drei Uhr morgens.«
»Oh. Sorry. Ich dachte nicht, dass es so spät ist. Ich habe angefangen zu arbeiten, als Finn weg war. Ich hab die Zeit ganz vergessen.«
Ich klettere aus dem Bett und lege mir eine Wolldecke um die Schultern. Mit dem Handy am Ohr setze ich mich auf meine breite, gemütliche Fensterbank. James sitzt gegenüber auch im Fenster, umgeben von einem Berg aufgeschlagener Bücher und verstreuter Papiere. Das goldene Licht seiner Schreibtischlampe erzeugt eine Art Heiligenschein um ihn.
»Weißt du noch, wie wir zwei Suppenbüchsen an einer Schnur zwischen unsere Zimmer gespannt haben?«, fragt er. Seine Stimme dringt einen Sekundenbruchteil zu spät aus dem Handy, erst nachdem er die Lippen bewegt; es sieht aus wie bei den alten Filmrollen und Projektoren, die in der Grundschule benutzt wurden: nicht ganz synchron.
Ich lächle. »Die haben wir bald durch Walkie-Talkies ersetzt, wenn ich mich richtig erinnere. Mom meinte, mit Suppenbüchsen in unseren Fenstern sähen wir aus wie Penner.«
»Ja, aber sie haben mehr Spaß gemacht.«
»Hast du mich hierfür aufgeweckt?«
»Ich vergesse immer, wie stinkig du wirst, wenn du müde bist.« Er lächelt. »Eigentlich wollte ich dich etwas fragen, bevor du vorhin weggelaufen bist …«
»Ich bin nicht weggelaufen …«
»Nate spricht morgen auf einer Benefizveranstaltung im Mandarin Oriental«, fährt James fort, ohne auf meinen Einwand zu achten, »und sie brauchen ein paar Leute, um leere Plätze zu füllen. Es wird wahrscheinlich langweilig, aber er hat deinen Namen schon auf die Liste gesetzt und dich überprüfen lassen. Also, hast du Lust, morgen was zu essen, während der Vizepräsident eine Rede hält?«
Fragt James mich gerade, ob ich
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