Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
ist das: ein umwerfendes Kleid an einem Mädchen mit einem kleinen Höcker auf der Nase, einem Riesenpickel am Kinn, den keine noch so große Menge Concealer abdecken konnte, zu runden Wangen und zu kleinen Brüsten, die ihrem Killerkleid eindeutig nicht gerecht werden. (Außerdem hat sie, dank ihrer Freundinnen, sanft gelocktes Haar und perfekt geschminkte Augen.)
Ich unterdrücke um ihretwillen ein Seufzen. Die meisten Leute lassen sich von den richtigen Klamotten und von Schminke blenden, aber es wäre schön, nur ein einziges Mal wirklich hübsch zu sein.
»Sieht super aus, Mädels!«, sage ich und hoffe, sie hören den falschen Ton in meiner Stimme nicht. »Das habt ihr toll hingekriegt.«
Sophie gibt mir die mit Glitzersteinchen verzierte Clutch, die sie aus dem Schrank meiner Mom stibitzt hat, und wir drei gehen nach unten.
James sitzt an der Küchentheke und isst eine Empanada von dem Stapel, den Luz vor ihm aufgebaut hat. Er sieht in seinem maßgeschneiderten schwarzen Smoking wie ein verirrter Filmstar aus. Er dreht sich um, als wir hereinkommen – in seinem Mundwinkel hängt Puderzucker –, und starrt mich an. Oder, was wahrscheinlicher ist, meinen Riesenpickel. Ich lecke mir nervös über die Lippen und schmecke den leichten wächsernen Vanillegeschmack von Sophies Lipgloss.
»Oh mija !«, sagt Luz. »Du siehst so schön aus.«
James steht auf, und ich kann praktisch fühlen, wie Sophie und Tamsin, die mir nicht von der Seite weichen, den Atem anhalten.
»Bist du bereit?«, fragt er. Irgendwie bin ich enttäuscht, als hätte ich erwartet, meine Schönheit würde ihn so treffen, dass er gleich hier in der Küche auf die Knie sinkt und mir ewige Liebe gelobt. Ich bin halt schwachsinnig.
»Darauf kannst du wetten«, sagt Sophie und pufft mich mit dem Ellbogen in den Rücken, bevor sie einen Schritt nach vorn macht. Ihre Begabung, selbst die banalsten Aussagen anzüglich klingen zu lassen, sucht ihresgleichen. »Hi, James.«
»Äh, hi … du«, sagt James. Er wird rot und sieht krampfhaft überallhin, nur nicht zu Sophie. Ihre perfekten blonden Locken und ihre weichen Lippen schüchtern viele Jungen ein, aber James jagen sie eine Heidenangst ein. Auch wenn er sich ihren Namen einfach nicht merken kann.
»Wie war Connecticut?«, fragt Tamsin und geht um mich herum, um sich zu Sophie neben James zu stellen. »Wir haben dich hier vermisst.«
James runzelt die Stirn. »G-gut. Viel Arbeit. Ihr wisst schon.«
»Ach ja? Woran arbeitest du denn gerade?«
»Ich … äh … Es ist ein bisschen schwer zu erklären …«
Tam und Sophie betrachten James, als wäre sein Gestammel das Faszinierendste, was sie jemals gehört haben. Und ich denke, dass sie meine Anwesenheit vollkommen vergessen haben.
James sieht auf seine Uhr und dann auf mich. »Sorry, aber wir sollten jetzt los, Marina.«
»Klar«, sage ich, auch wenn ich weiß, dass wir immer noch früh dran sind. Es ist mein Job als James’ beste Freundin, ihn aus unangenehmen Situationen zu retten. Aber wenn ich ehrlich bin, will ich auch deshalb los, weil ich es überhaupt nicht mag, wenn er mit Sophie und Tamsin redet. Vielleicht bin ich nur eifersüchtig, denn ganz tief drinnen weiß ich einfach, dass James zu mir gehört. Aber daran, wie die beiden sich in seiner Gegenwart aufführen, ist etwas beinahe Raubtierhaftes. Manchmal frage ich mich sogar, ob sie wirklich mich mögen oder ob es ihnen nur um meine Nähe zu ihm geht.
Tamsin und Sophie folgen mir in die Diele, wo wir uns verabschieden. Sie kichern und sparen nicht mit Anspielungen, aber mein Lächeln kommt mir wie angeklebt vor.
»Ruf mich nachher an!«, flüstert Tamsin mir zu, als sie mich auf die Wange küsst, und dann sind sie draußen.
»Willst du etwas essen, bevor ihr geht?«, ruft Luz aus der Küche.
»Auf der Veranstaltung wird Dinner serviert.« Ich nehme meinen langen Mantel und den makellosen weißen Kaschmirschal, den ich nur zu besonderen Anlässen trage, aus dem Garderobenschrank. Ich spüre, wie James hinter mich tritt; seine Nähe verändert das Gewicht der Luft.
»Aber vielleicht bekommst du schon vorher Hunger!«, sagt Luz. »Iss doch wenigstens eine Kleinigkeit. Einen Apfel. Du isst einfach nicht genug.«
»Ich esse jede Menge«, sage ich. Wenn es nach ihr ginge, wäre ich unattraktiv und fett. Aber ich nehme den Apfel, mit dem Luz in die Diele gelaufen kommt, trotzdem, damit sie glücklich ist.
Auch James nimmt die Orange, die sie ihm hinhält, und steckt sie in
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