Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
sind!«
Finn hüpft auf dem Lederpolster auf und ab. »Wie im Himmel!«
Das Gute an einem mehrmonatigen Gefängnisaufenthalt? Man braucht nicht mehr viel, um glücklich zu sein.
Wir verbringen den Rest der Nacht in dem Geländewagen. Finn ist mir nahe genug, um mich zu berühren, aber er tut es nicht, und dafür bin ich ihm dankbar. Mein Inneres befindet sich auch ohne das schon genug in Aufruhr. Stattdessen reden wir einfach nur, und im Inneren des Wagens ist es so dunkel, dass ich kaum sein Gesicht ausmachen kann. Es ist beinahe, als wären wir wieder in unseren Zellen. Ich finde es überraschend tröstlich. Er und ich haben so viele Stunden damit verbracht, durch die Wand, die uns trennte, miteinander zu sprechen und uns in der Sicherheit unserer eigenen kleinen Gefängnisse Dinge zu sagen, die wir uns niemals ins Gesicht gesagt hätten. Es ist schön, sich langsam, schrittweise daran zu erinnern, wie es ist, im selben Raum mit ihm zu sein.
»Sag mal, was haben wir beim letzten Mal probiert?«, fragt Finn. »Ich meine unsere letzten Ichs.«
»Wir … sie haben Noah Hickson ausgeschaltet«, sage ich. Das war Punkt vierzehn auf der Liste. Ich habe so lange darauf gestarrt, dass ich immer noch jedes einzelne Wort sehe, wenn ich die Augen schließe.
»Ach, richtig. Der Ingenieur?«
»Ja. Sie glaubten wohl, dass der Doktor ohne seine Hilfe nicht in der Lage wäre, Cassandra zu bauen.«
»Du kannst seinen Namen immer noch nicht sagen, hm?«
Ich schüttle den Kopf. Der Gedanke an diesen Namen auf meiner Zunge verursacht mir Übelkeit.
»Ich auch nicht«, flüstert Finn. »Aber … wie haben sie ihn ausgeschaltet? Haben sie ihn umgebracht? Was meinst du?«
»Ich weiß es nicht«, sage ich. Ich hoffe es nicht, was albern ist. Warum sollte es mich kümmern, was eine andere Version von mir irgendwann einmal einem völlig Fremden angetan hat?
»Aber Cassandra wurde trotzdem gebaut.«
»Ja.«
»Wir haben also wirklich keine Wahl, oder?«
»Ich denke nicht.«
»Em?«
»Ja?«
»Ich weiß, dass es immer noch irgendwie komisch zwischen uns ist, und ich höre mich jetzt sicher wie ein Mädchen an, aber …« Er rutscht in der Dunkelheit näher. »Darf ich deine Hand halten?«
Mit einem Kloß im Hals gebe ich ihm meine Hand. Er schiebt seine Finger zwischen meine, und wir halten uns aneinander fest, bis wir eingeschlafen sind.
Connor weckt uns irgendwann später auf, und im Tageslicht fällt es mir schwer, Finn ins Gesicht zu sehen.
»Ich hab dir Schuhe mitgebracht«, sagt Connor. Er lässt ein Paar ausgeblichene Sneaker vor Finn auf den Boden fallen. »Ihr könnt die Welt doch nicht barfuß retten.«
Finn schlüpft in die Schuhe. Seine Fußsohlen sind noch immer mit dem Blut der Soldaten befleckt, die in der Zukunft gestorben sind. Meine Gefängnisslipper sind dünn, aber sie müssen vorerst reichen. Finn bindet die Schuhe zu, während Connor uns erklärt, wie er uns aus dem Lager schmuggeln will. Wichtigstes Element des Plans sind ein halbes Dutzend alter Holzpritschen, aus denen Connor – wie er seinem Chef gesagt hat – zuhause einen Werkzeugschuppen bauen will. Zwanzig Minuten später liegen wir auf der Ladefläche von Connors Pickup, unter einer Plane neben den staubigen Pritschen. Mein Herz klopft laut, als er den Kontrollposten passiert und auf die Straße fährt, die vom Lagerhaus wegführt.
»Na ja«, flüstert Finn. »Das fühlt sich wenigstens vertraut an.«
Sobald wir einige Kilometer hinter uns gebracht haben, fährt Connor rechts ran, und wir quetschen uns in die Fahrerkabine. Er nimmt uns mit zu sich nach Hause, wo er uns duschen lässt und uns frische Kleidung aus seinem eigenen Schrank gibt. Ich tauche aus dem Badezimmer mit noch nassen Haaren auf, aus denen Wasser auf den riesigen schwarzen Kapuzenpulli tropft, den mir Connor geliehen hat. Ich gehe Finn suchen und finde ihn in schwarzen Jeans, die schon ein bisschen dünn an den Knien sind, und einem langärmeligen T-Shirt am Küchentisch. Er isst Pfannkuchen. Connor schiebt auch mir einen Teller zu.
»Das ist alles, was ich hinkriege«, sagt er.
Ich sitze einfach nur da und starre eine volle Minute auf den Stapel Pfannkuchen, die von Sirup triefen und auf denen kleine Butterpfützen schwimmen. Ich würde mich am liebsten in sie hineinlegen.
Ich weiß nicht, wie lange Finn und ich essen, aber ich weiß, dass Connor noch eine Ladung Teig machen muss, denn wir putzen die erste Portion innerhalb von Minuten weg. Als ich endlich meine
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