Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
sicher vor Paradoxien ist.«
»Und wie gelangt ihr wieder in eure Zeit zurück?«, fragt Connor.
Finn wirft mir einen Blick zu, bevor er antwortet. »Gar nicht.«
»Oh.« Über Connors Gesicht huscht ein Schatten. »Okay. Ähm … wir sind da.«
Wir haben den hinteren Teil des Lagers erreicht. Vor uns befindet sich ein kleiner Abfluss im Betonboden. Fünfzehn Zentimeter im Durchmesser, mit zweiunddreißig kleinen Löchern, aber noch ohne Vertiefung von der Größe einer Fünf-Cent-Münze und ohne Wände aus Betonziegeln darum herum.
»Wozu ist dieser Abfluss da?«, frage ich. »Das habe ich mich jeden Tag in der Zelle gefragt.«
Connor zuckt die Achseln. »Die sind hier überall. Für den Fall, dass die Sprinkler angehen oder es eine Überschwemmung gibt.«
Was für eine banale Antwort. Ich erinnere mich an all die furchtbaren Dinge, die ich mir über diesen Abfluss ausgemalt habe, daran, dass ich stundenlang darauf gestarrt und mir vorgestellt habe, wie mein Blut Tropfen für Tropfen darin verschwindet.
»Du musst alles über dieses Gebäude in Erfahrung bringen«, sage ich. »Sämtliche Details. Deshalb werden sie dich hierbehalten, anstatt dich irgendwohin abzukommandieren, wenn sie das Gebäude übernehmen. Du bist loyal, und du arbeitest hart, und das wird dir eine Beförderung verschaffen. Eines Tages wirst du hören, ich hätte einen Löffel gestohlen, und dann wirst du wissen, dass wir bereit sind, uns von dir befreien zu lassen.«
»Mein Gott, ich kann nicht glauben, dass du das alles sagst«, meint er. »Es klingt vollkommen unmöglich.«
»Ich wünschte, das wäre es.«
»Woher wusste ich beim allerersten Mal, dass ich euch befreien soll?«, fragt er. »Du warst ja vorher nicht da, um es mir zu sagen.«
»Ich weiß es nicht«, sage ich. »Ich schätze, diese beiden Versionen von dir und mir müssen irgendwie gelernt haben, sich zu vertrauen.«
Connor legt den Kopf zurück, als würde er versuchen, über das Gebäude hinaus zum Horizont zu blicken. »Ist die Zukunft wirklich so schlimm?«
Finn macht einen Schritt vorwärts und berührt die Mauer des Lagers, die eines Tages ein Teil seiner Zelle sein wird. »Schlimmer.«
Ich sehe Connor in die Augen. Sie sind im Moment glasig vor Schock, aber eines Tages werden sie über Monate hinweg die einzigen freundlichen Augen sein, die mich anschauen. »Ohne dich können wir gar nichts verändern, Mike. Du bist der Schlüssel zu allem.«
Er braucht einen Augenblick, um das zu verdauen, und seufzt. »Ich schätze, ihr wisst schon, dass ich Ja sage, oder?«
»Jetzt ja.«
Connor zieht ein Schweizer Taschenmesser aus der Tasche und beginnt den Abflussdeckel abzuschrauben. Ich hole den Zettel, den ich durch die Zeit getragen habe, aus dem Plastikbeutel und werfe einen letzten Blick darauf. Es gibt nichts, was ich streichen müsste. Frühere Versionen meiner selbst – Ems, die ich nie kennen gelernt habe und die von jedem Versuch, den Lauf der Zeit zu verändern, hervorgebracht wurden – haben Zeugnis von allen möglichen Plänen abgelegt, die die Zukunft verhindern sollten. Es bleibt nur noch eine Möglichkeit, und sie fällt mir zu. Wenn ihn zu töten die Zukunft nicht aufhält, wird nichts sie aufhalten.
Ich drücke einen Kuss auf den Zettel und lege ihn in den Plastikbeutel zurück. Wenn ich scheitere, wird die nächste Em – die irgendwo da draußen glücklich und sorglos herumläuft, ohne jede Vorstellung von dem, was auf sie zukommt – vielleicht Erfolg haben. Ich stopfe den Beutel tief in das Abflussrohr, und während Connor den Deckel wieder anbringt, hoffe ich bei Gott, dass sie niemals in dieser Zelle sein wird, um ihn zu finden.
Connor versteckt uns für den Rest seiner Schicht in einem besonders abgelegenen Winkel des Lagers. Er bringt uns Erdnussbutterkekse und Chips aus dem Automaten und lässt uns in einem ausgedienten Geländewagen zurück. Finn teilt die Rationen auf – ich bemerke, dass er mir mehr gibt, als mir zustehen würde, aber ich hindere ihn nicht daran –, und wir essen schweigend, mit angezogenen Beinen auf dem rissigen Leder der Rückbank in dem gewaltigen Fahrzeug.
»Meine Güte«, stöhnt Finn, während er sich orangefarbenes Puder von den Fingerspitzen leckt. »Wusstest du noch, dass Doritos so gut sind?«
»Ich wusste nicht, dass überhaupt etwas so gut sein kann.« Ich knabbere eine Lage Erdnussbutter von einem Keks und lasse sie im Mund zergehen. Es soll möglichst lange vorhalten. »Wie weich diese Sitze
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