Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
nicht mehr. Seit Jahren.
Dennoch höre ich das Klicken durch unser Gelächter.
»Hände hoch!«
Finn erstarrt in meinen Armen, und ich hebe die Hände wie die brave Gefangene, die ich nun mal bin. Der Soldat, der sich unbemerkt angeschlichen hat, während wir lachten, kommt einen Schritt näher. Seine Waffe zielt auf meinen Kopf.
»Was macht ihr hier?«, fragt er. Ein leichtes Zittern geht von seinen Händen auf die Waffe über, sodass sie etwas schwankt.
Ich blinzle, denn meine Augen tränen noch immer und sehen nur verschwommen. Dann erkenne ich das Gesicht.
»Connor?«
Es bedarf einiger Überredungskunst, aber als ich ihm das Foto von ihm und seiner künftigen Frau zeige – Laura, wie er mir verrät, die Kellnerin in dem Imbiss, in dem er häufig isst; sie hat ihm schon zweimal einen Korb gegeben –, lenkt Mike Connor ein.
Nicht, dass ich es ihm verdenken könnte, wenn er uns auf der Stelle erschießen würde.
Auf meine Bitte hin führt uns Connor in einen entfernten Winkel des Gebäudes. In vier Jahren wird dies ein geheimer Regierungskomplex sein, der den weltweit größten Teilchenbeschleuniger beherbergt. Aber jetzt ist es, wie Connor uns im Gehen erklärt, nur ein Militärlager, in dem Hunderte alter Fahrzeuge, Munition, die auf ihre Entsorgung wartet, und Kleinkram deponiert sind. Connor ist ein Offizier niederen Dienstrangs, der die Nachtschicht leitet.
Ich kann nicht aufhören, ihn heimlich anzusehen, während wir unterwegs sind. Erst vor ein paar Augenblicken habe ich zugeschaut, wie sein älteres Ich starb, eines mit grauen Schläfen und Krähenfüßen in den Augenwinkeln. Nur vier Jahre trennen die beiden Connors, aber der hier sieht zehn Jahre jünger und weicher aus. Die Zukunft hat Connor zu schnell altern lassen, ebenso wie Finn und mich. Dieser junge Connor erscheint mir wie eine Art Gespenst, ein lebender Geist.
Er ist schon tot, es sei denn, Finn und ich retten ihn.
»Ich verstehe das nicht«, sagt Connor. »Ich meine, ich glaube euch, weil ich gesehen habe, wie ihr aus dem Nichts erschienen seid, und weil ihr dieses Bild habt, aber ich habe das Gefühl, dass mein Kopf kurz vorm Explodieren ist.«
»Eigentlich ist es ganz einfach«, sage ich. »Kennst du Einsteins Relativitätstheorie?«
Connor starrt mich nur an. »Gehen wir mal davon aus, dass ich sie nicht kenne.«
»Ja, das war bei mir genauso, bis … na ja.« Ich schüttle den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben. »Im Grunde sind Raum und Zeit ein und dasselbe, eine Art Riesenfolie, die sich über das gesamte Universum spannt und Raum-Zeit-Kontinuum heißt. Schwere Objekte verformen die Struktur dieses Raum-Zeit-Kontinuums, so wie ein Trampolin sich verformt, wenn jemand darauf steht. Wenn man etwas hat, das schwer genug ist – irrsinnig schwer –, kann es sogar ein Loch hineinstoßen.«
»Okay, das habe ich verstanden.«
»Also, in der Zukunft entwickelt die Regierung diesen gigantischen Teilchenbeschleuniger namens Cassandra. Wenn sie die richtigen subatomaren Partikel unter den richtigen Bedingungen aufeinander loslassen, verdichten sich die Partikel beim Aufprall massiv und werden schwer genug, ein winziges Loch ins Raum-Zeit-Kontinuum zu stoßen. Durch dieses Loch sind wir gekommen.«
»Aber warum?«
»Weil die Zukunft verändert werden muss. Wir müssen Cassandra zerstören, bevor sie überhaupt gebaut wird, oder sie wird die Welt vernichten. Der Mensch ist nicht dazu bestimmt, durch die Zeit zu reisen.«
»Aber …« Connor presst die Finger an die Schläfen. »Wenn ihr die Maschine zerstört, bevor sie gebaut wird …«
»Dann wird sie nie existiert haben, und wir wären nie in der Zeit zurückgereist, um sie zu zerstören«, sagt Finn.
»Genau.«
Ich nicke. »Es ist eine Paradoxie. Aber die Sache mit der Zeit ist, dass sie eigentlich nicht linear ist, jedenfalls nicht so, wie wir uns das vorstellen. Jemand, den ich mal kannte, hatte eine Theorie über die Zeit: dass sie so etwas wie ein Bewusstsein hat. Sie räumt auf und verhindert, dass ihr Gefüge durch Paradoxien zerrissen wird, indem sie bestimmte Ereignisse einfriert, um zu verhindern, dass sie verändert werden. Aktionen – etwa dass wir etwas unternehmen, um Cassandras Bau zu verhindern – bewegen etwas, Passivität hingegen – also nicht zurückzukommen, weil wir zu diesen Zeitreisen gar nicht in der Lage sind – nicht. Wenn wir … tun, was wir tun müssen, um Cassandra zu zerstören, müsste daraus ein festgefrorenes Ereignis werden, das
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