Zeitsplitter - Die Jägerin: Roman (German Edition)
»Beeil dich!«
»Es ist eiskalt!«, sage ich, aber ich ziehe bereits den Reißverschluss an meinem Kapuzenpulli hoch und steige aus dem Wagen.
Finn springt auf den Kühler und streckt mir die Hand entgegen. »Hier oben ist es kuschelig warm.«
»Du bist so ein Spinner.« Aber ich klettere neben ihn auf den Kühler. Er ist tatsächlich warm, das stundenlange Laufen des Motors hat das Metall erhitzt. Finn legt sich auf den Rücken und faltet die Hände unter dem Kopf, und ich mache es ihm nach.
Der Anblick der Sterne ist ein Schock. Es ist so lange her, dass ich sie gesehen habe, und ich könnte schwören, dass sie sich vervielfacht haben. Hier draußen, außerhalb der Stadt, sind sie wie winzige Explosionen aus Licht. Tausende von Diamanten, verteilt in der Atmosphäre.
»Wow«, flüstere ich.
»Ja. Ich hatte vergessen, dass sie so hell sind.«
Wir liegen nebeneinander da, starren in den Himmel hinauf, und nach ein paar Minuten nimmt Finn meine Hand und reibt sie mit seiner, um sie zu wärmen.
»Woran denkst du gerade?«, frage ich.
»An Connors Pfannkuchen.«
»Mmm. Und an heiße Schokolade.«
»Oh Gott«, stöhnt er. »Ich könnte dich dafür umbringen, dass du mich gerade jetzt an heiße Schokolade erinnerst. Ich würde alles für eine Tasse tun.«
»Du hast doch mit den Pfannkuchen angefangen!«
»Weil du gefragt hast! Außerdem …«
Die Welt dreht sich wie wild unter mir, und den Rest von dem, was Finn sagt, bekomme ich nicht mehr mit. Ich weiß diesmal, was es ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob es die Sache leichter oder sogar noch erschreckender macht. Ich habe gerade noch Zeit, Finns Hand zu packen, bevor sich eine Eisenkette um meine Mitte schlingt und mich aus der Gegenwart reißt.
Es ist dunkel, und nur das spärliche blaue Nachtlicht vom Gang sickert durch das Fenster in meiner Zellentür herein. Taminez, einer der Wachposten, hat das Licht schon vor einer ganzen Weile ausgeschaltet, aber ich konnte nicht einschlafen.
Finn ist natürlich schon seit Stunden im Reich der Träume. Der Mistkerl.
Ich höre Schritte draußen und setze mich auf meiner Pritsche auf. Ein Soldat, den ich nicht kenne, stößt meine Zellentür auf, und der Doktor kommt herein.
»Danke, Greggson«, sagt er. »Sie können uns allein lassen.« Dann wird es also eine dieser Nächte.
Der Soldat salutiert und schließt die Tür hinter sich. Der Doktor setzt sich mir gegenüber auf den Zellenboden. Es ist sonderbar, ihn in seinem weißen Laborkittel und der teuren Hose auf dem Betonboden zu sehen. Er muss von dort zu mir aufschauen, um mir ins Gesicht zu sehen. Es lässt ihn klein wirken. Ich ziehe die Decke enger um mich und warte.
Er lässt den Blick in seinen Schoß sinken. »Du fehlst mir, Marina.«
Ich hasse diese Nächte. Ich glaube, ich hasse sie mehr als alles andere.
»Ich bin hier«, sage ich. »Du bist derjenige, der nicht mehr da ist.«
»Weißt du, ich verstehe, warum du mich hasst.« Er studiert eingehend seine Hände. »Ich habe schlimme Dinge getan.«
»Willst du, dass ich dir verzeihe? Bist du deswegen gekommen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.« Er holt zittrig Luft. Mein Gott, weint er etwa? »Vielleicht musste ich heute Nacht nur bei einem Freund sein.«
»Ich bin nicht deine Freundin«, sage ich. »Du kannst mich hier für immer festhalten und jede Nacht zum Beichten zu mir kommen, aber ich werde nie wieder deine Freundin sein.«
»Marina, es ist nicht so, wie du denkst«, sagt er, und die Verzweiflung in seiner Stimme ist nun fast mit Händen zu greifen. »Wenn du wüsstest, was ich weiß … Es erfordert einige schreckliche Opfer, aber wir tun das Richtige …«
»Ich bin müde. Darf ich jetzt wieder schlafen?«
Er streckt die Hand nach mir aus. »Bitte, du musst mich verstehen …«
»Gute Nacht, Doktor.«
Seine Hand schwebt noch einen Moment zitternd in der Luft und fällt dann an seine Seite. Er bewegt sich wie ein alter Mann, als er sich aufrichtet und an die Tür klopft, damit man ihn herauslässt. Der Soldat, den ich nicht kenne, erscheint wieder und schiebt die Tür auf.
Der Soldat, den ich nicht kenne.
»Wo ist Taminez?«, frage ich. »Es ist doch seine Schicht.«
Der Doktor bleibt stehen, sieht mich aber nicht an.
Mein Magen krampft sich zusammen. Ich begreife plötzlich, warum der Doktor hier ist. »Oh Gott. Wozu hast du ihn zurückgeschickt? Was soll er tun?«
»Ich hatte keine Wahl«, sagt der Doktor, und die Tür schließt sich mit einem Scheppern hinter
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