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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Fensterhöhlen war nur noch der leere Himmel zu sehen. Im Erdgeschoss glommen und schwelten noch einzelne Überreste vor sich hin, die Kraft des Feuers aber war gebrochen; Schnee fiel und wirbelte durch die Ruine. Über den gähnenden Fenstern des ausgebrannten Hauses war das Mauerwerk rußverschmiert und schwarz, bereits jetzt fiel es schwer sich vorzustellen, dass dieser große tote Kasten eben noch voller Leben und Menschen war. Und beinahe undenkbar, dass wir dort drinnen Jake Pickering und Andrew Carmody belauscht hatten, vor – ich holte meine Uhr heraus und konnte es kaum glauben  – nicht ganz einer Stunde.

    Als wäre ein Bann gebrochen, begannen die Leute um uns herum sich immer angeregter zu unterhalten, als ich plötzlich aus dem allgemeinen Gemurmel heraus eine Stimme vernahm: »Gott sei Dank ist die Zeitung ausgezogen.«
    »Von welcher Zeitung spricht er«, sagte ich zu Julia.
    »Von der Welt «, sagte sie. »Bis vor einigen Monaten war das hier das Welt -Gebäude, die meisten Leute nennen es noch immer so. Sie hatten den ganzen oberen Stock gemietet; viele von ihnen wären dort oben sicherlich umgekommen.«
    »Die Welt «, sagte ich langsam und versuchte, mich an den Klang zu gewöhnen. Und dann begriff ich auf einmal. Dass dieses Sendschreiben die Zerstörung des gesamten Welt  – ›Gebäudes‹ war das fehlende Wort – durch Feuer herbeiführte, ist kaum zu glauben. Dennoch ist es so  … Und Carmodys Gewissen quälte sich damit bis ans Ende seiner Tage. Mir war eine schwere Last von der Seele genommen: Nun war klar, dass nichts, was Julia und ich getan hatten, das Feuer verursacht hatte.
    Ich nahm Julias Arm, und wir waren kaum ein paar Schritte auf der Nassau Street nach Süden gegangen, fort von den anderen, da hörten wir einen lauten Schrei, einen Warnruf, dann ein ansteigendes Raunen der Menge. Als wir uns umdrehten, neigte sich die Beekman-Street-Fassade gerade nach innen, sehr langsam, erst unmerklich, dann schneller, immer schneller, dann krachte die Wand – fast in einem Stück – auf die brennenden Trümmer im Erdgeschoss. Und nun war das leere Innere mitleidlos den Blicken und der Sturmgewalt ausgesetzt; nun war das Gebäude wirklich verschwunden.
    Wir nahmen die Hochbahn nach Hause. Julia starrte blind aus dem Fenster, hin und wieder sprach ich sie an und versuchte, sie zu trösten, aber ohne Erfolg. Natürlich wusste ich, dass nichts, was wir getan hatten, zum Ausbruch des Feuers beigetragen hatte. Wir waren nur unsichtbare Zuschauer gewesen, die in keiner Weise den Gang der Ereignisse beeinflusst hatten. Obwohl ich es nicht erklären konnte, war ich mir ganz sicher. Ich glaube, ich konnte Julia schließlich auch davon überzeugen. Aber natürlich wünschte sie sich, dass wir in den Lauf der Ereignisse eingegriffen hätten. Ich hatte sie buchstäblich aus Jakes Büro gezerrt, und nun fragte sich Julia, ob wir ihnen nicht hätten helfen können, wenn wir geblieben wären. Auch ich fragte mich das, trotzdem hätte ich das, was ich getan hatte, nicht anders gemacht, sonst wären wir wahrscheinlich ebenfalls ums Leben gekommen.
    Zu Hause ging Julia sofort auf ihr Zimmer. Sie war völlig erschöpft. Niemand war unten gewesen, das Haus war still. Es war nach Mittag, wir hatten zwar kein Frühstück gehabt, aber ich war nicht hungrig, nur leer; ich hatte keine Lust, mir etwas in der Küche zu machen. Also ging ich ebenfalls hoch, zog den Mantel aus und legte mich hin. Nach der Nacht und dem Morgen, die hinter uns lagen, war ich einerseits sehr müde, aber andererseits zu erfüllt von dem, was wir erlebt hatten, um – wie ich dachte – schlafen zu können. Natürlich schlief ich nur Minuten später ein, nachdem ich mich auf dem Bett ausgestreckt hatte.
    Es war bereits dunkel, als ich von einem Hungergefühl geweckt wurde, das so intensiv war, dass mir schwindelte. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war; doch es musste sehr spät sein. Maud Torrence und Felix Grier befanden sich im Salon und lasen, als ich nach unten kam. Sie schauten auf und nickten mir flüchtig zu; sie wussten anscheinend nicht, dass ich bei dem Brand dabei gewesen war. Beiläufig erkundigte ich mich, ob Jake Pickering zu Hause war; Felix, der sich bereits wieder seinem Buch zugewandt hatte, schüttelte nur leicht den Kopf.
    Ich ging durch das dunkle Esszimmer in die Küche. Unter dem Türspalt sah ich Licht. Julia saß mit ihrer Tante am Küchentisch und aß zu Abend. Kaltes Fleisch, Brot und Butter und

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