Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
meinte, eine Woche sei ausgezeichnet. Ich fragte ihn dann nach Oscar Rossoff und Martin Lastvogel; ich hatte sie beide gut leiden können und hätte sie gerne wiedergesehen. Aber Esterhazy sagte mir, dass Oscar das Projekt verlassen habe; er müsste sich um seine Praxis kümmern und die Zeit, die er dem Projekt hatte widmen können, sei – leider – vorüber. Das war natürlich möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, aber ich glaubte es ihm nicht. Ich glaubte eher, dass Oscar aus Protest gegen den Kurs, den das Projekt eingeschlagen hatte, gegangen war. Auch Martin war fort: Er war wieder an seine Universität zurückgekehrt.
Wir standen im Büro, redeten, es gelang mir mittlerweile wieder zu lächeln und sogar eine kleine Rede zu halten, die aus drei Sätzen bestand. »Nun, jetzt ist also alles geregelt. Ich habe alles getan, um Sie umzustimmen; ich glaube, das war ich mir schuldig. Aber ich muss zugeben … da Sie auf jeden Fall weitermachen wollen, will ich verflucht sein, wenn ich nicht gerne dabei wäre.« Sie lächelten alle und applaudierten sogar ein wenig.
Ich werde nicht viel von meinem Besuch bei Kate erzählen. Es war schrecklich; sie wartete auf eine Lieferung und konnte den Laden nicht verlassen, also mussten wir uns dort unterhalten, gelegentlich unterbrochen von Kunden, die hereinkamen. Dann wanderte ich durch den Laden, wartete ungeduldig, bis sie wieder gingen, und versuchte meine Ungeduld nicht allzu deutlich zu zeigen.
Ich erzählte Kate von meinem ›Trip‹. Und natürlich war sie fasziniert von der Geschichte. Der Lieferant kam, als ich mitten im Erzählen war, Kate musste vier Kartons mit sorgfältig eingewickelten alten Gläsern prüfen und den Zustand des Inhalts begutachten, bevor sie die Sendung quittierte. Und dann, endlich – es war eigentlich noch ein bisschen zu früh, um den Laden zu schließen – schloss Kate zu und wir gingen hinauf.
Das Erste, was sie oben tat, nachdem sie Kaffee aufgesetzt hatte, war, in ihr Schlafzimmer zu gehen, um ihre rote Faltmappe zu holen. Und während ich erzählte, betrachteten wir wieder einmal den langen blauen Umschlag und den Brief darin. Als ich mit meiner Geschichte am Ende war, las Kate den letzten Satz vor: »›Dieses erbärmliche Souvenir vor Augen, beende ich nun das Leben, das bereits damals hätte beendet werden sollen.‹« Sie blickte auf und nickte; die Fragen, die sie ihr ganzes Leben lang beschäftigt hatten, waren nun beantwortet. »Ich habe es mir so oft vorgestellt«, sagte sie. »Der Schuss fiel, und die Frau, die als seine Gattin auftrat, war sofort bei ihm.«
»Bei dem Toten, auf dessen Brust Julia tätowiert war.«
Sie nickte. »Ja. Und dann wusch und kleidete sie ihn alleine und machte ihn für die Beerdigung fertig. Denn niemand durfte die Tätowierung sehen.«
Ich warf noch einen letzten Blick auf den blauen Umschlag, bevor ich ihn Kate zurückgab und betrachtete den kleinen Schnappschuss, den sie mir hinhielt. Ich starrte auf das scharfe, klare Bild des Grabsteins, unter dem Mrs. Andrew Carmody Jake schließlich bestattet hatte. Kein Name stand darauf; sie hatte mit ihm als ihrem Gatten gelebt, aber sie wollte ihn nicht als diesen beerdigen. Dort auf dem Stein bei Gillis, Montana, waren die durch Sonne und Regen verwitterten Punkte zu sehen, die sich zu einem neunzackigen Stern in einem Kreis formten. Nur erschien mir der Stein jetzt nicht mehr als Grabstein. Den niedrigen Stein, oben ein Bogen, an den Seiten gerade, sah ich nun so, wie ihn auch die Frau gesehen hatte, die ihn in Auftrag gab: Es war Jake Pickerings Stiefelabsatz in Stein, das melodramatische Finale eines Lebens im neunzehnten Jahrhundert.
Kate legte die Mappe weg, schenkte uns Kaffee ein, wir tranken und warteten darauf, dass das, was gesagt werden musste, gesagt wurde. Schließlich sagte ich es, unbeholfen. »Es hat sich für uns beide nicht ergeben, nicht wahr, Kate?«
»Nein«, sagte sie. »Ich weiß nicht, warum. Weißt du es?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich dachte, es könnte klappen; ich war mir dessen so sicher. Aber als es so weit war, dass es …«
Sie wollte nicht, dass ich weitersprach. »Und es nicht passiert ist. Das kommt vor, Si. Mehr gibt es darüber nicht zu sagen. Niemanden trifft hier eine Schuld; es gibt Dinge, die nicht erzwungen werden können. Mach dir keine Vorwürfe.«
Wir unterhielten uns an diesem Abend noch sehr lange miteinander; wir sprachen über gemeinsame Erlebnisse und lachten sogar über einige
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