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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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die im Zurückwerfen des großen Kopfes lag. Und nun, als das Straßenlicht für einen kurzen Moment auf ihn fiel, sah ich die vertrauten, kleinen runden Brillengläser und den dunklen breitkrempigen alten Hut.
    Er blieb neben dem Gebäude stehen; von meiner Perspektive aus sah ich nur den Hut, der sich mit dem Kopf darunter drehte, als er nach Norden blickte. Ich tat es ihm nach; und nun erblickte ich auch den anderen, der vom Norden her den Broadway schräg überquerte und auf uns zukam. Ich bewegte mich auf dem Sims geräuschlos – oder fast geräuschlos – dorthin, wo sie unter mir standen.
    »Na, mein Junge. Pünktlich wie immer!«, sagte die keineswegs tiefe, fast dünne Stimme.
    »Das versuche ich, Sir.«
    »Und Sie genießen New York? Aber natürlich tun Sie das.«
    »Immer, wie Sie wissen. Sir, ich hätte zu Ihren …«
    »Nein, es gibt zu viele Reporter heutzutage. Sie sollten Sie nicht unbedingt sehen. Ich bin einfach durch die Hintertür entwischt, und dann die – Sie kennen den Weg.«
    »Ja, Sir.«
    Dann Schweigen, nur der Schwerere der beiden bewegte sich; er war groß, aber nicht so groß wie der andere. Wir hatten recht, Rube: Z ist groß. Und nun hatte er etwas in der Hand, etwas Weißes. »Ich habe heute Nachmittag daran gearbeitet und glaube, dass Sie recht haben, Sie werden Ihr Ziel erreichen.« Die Hand des Größeren kam zum Vorschein und nahm die Papiere entgegen. »Sie haben Howard’s?«
    »Ja, Sir.« Er steckte die Papiere weg.
    »Dann viel Glück, mein Junge. Viel Glück, und seien Sie vorsichtig.«
    »Immer.«
    »Nein, nicht immer.« Beide lachten leise. Dann, abrupt und wie um seine Verlegenheit zu überspielen: »Viel Glück.« Noch einmal und ein einziger, kurzer Handschlag. Dann gingen sie auseinander. Ich stand auf meinem idiotischen Steinsims und starrte erst dem einen, dann dem anderen dunklen breitkrempigen Hut hinterher, das war alles, was ich sah – was ich von dort oben hatte erkennen können, dem vermutlich einzigen Ort, an dem ich mich überhaupt hatte verstecken können. Dort ging er, der verwegene alte Reitersmann, den Weg zurück, den er gekommen war, und verschwand in der 23rd Street. Und dort, über den Broadway zum Madison Square, ging Z, sein Mantel verschwand gerade zwischen den Bäumen. Ich stand dort oben an der Fassade des Flatiron Building und überlegte, was es zu bedeuten hatte. Z war bald für immer verschwunden, es würde keine Spur mehr von ihm geben. Und der große Krieg? Nun, die Vorstellung, dass ein einziger Mensch dieses enorme Ereignis verhindern konnte, war mir niemals als realistisch, eher als absurd erschienen; ich hob skeptisch die Schultern und begann wieder hinunterzuklettern. Aber was sollte dann aus Willy werden? Ich wusste es nicht; ich musste darüber nachdenken.
    Kein Taxi wartete dort; ich wandte mich von dem großen steinernen Flatiron ab und machte mich zu Fuß auf den Weg. Z war verschwunden, aber Tessie und Ted mussten hier irgendwo stecken. Ja, hier in diesem New York von 1912. Auf dem Broadway, wie es immer geheißen hatte. Warum also hatte ich sie nicht gefunden? Ich überquerte die 23rd Street, blickte nach links und sah die Lichter des Fifth Avenue Theatre, das ein wenig weiter westlich lag. In diesem Moment erloschen sie. Ich blieb trotzdem weiter an der Bordsteinkante stehen, denn ich hatte mit einem Mal in nicht allzu großer Ferne ein einsam leuchtendes Licht erspäht. Eine matte weiße Kugel, die über einem Bühneneingang brennen musste. Ich zögerte. Ich wollte nach Hause, ich wollte zu meiner Familie; heute Nacht könnte ich heim, über die Brooklyn Bridge, und innerhalb einer Stunde … Aber ich ging nach links, auf das runde Licht zu.
    Ich hatte mich nicht geirrt. Auf der grünen Holztür stand: Bühne. In verblichenen weißen Lettern; ich stand davor, betrachtete sie und war unschlüssig, was ich tun sollte. Plötzlich öffnete sich die Tür, eine junge Frau trat eilig heraus. Sie schien genau zu wissen, wohin sie wollte; auf ihrem Gesicht war noch Make-up, also hatte sie an einer Vorstellung teilgenommen. Ich holte kurz Luft, drückte die offene Tür mit dem Zeigefinger auf, horchte und ging vorsichtig hinein.

21

    Ich betrat einen kleinen dunklen Gang, folgte ihm, stieg drei Holzstufen hoch, und sah dann – ich habe dies später aus dem Gedächtnis gezeichnet – einen schlafenden Mann an der Bühnentür. Sollte ich mich an ihm vorbeischleichen? Nein. Ich wusste nicht, wohin ich wollte oder was ich hier

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