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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
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Sie viele niemals sehen wollen. New York hat natürlich die besten. Wenn Sie das Varieté lieben, dann sind Sie hier am richtigen Ort. Sie sind sich sicher, dass Ihre Aufführung in New York stattfindet?«
    Ich nickte.
    »Nun.« Ein letzter Blick in den Spiegel; dann machte sie das Licht aus, stand auf und strich über die Vorderseite ihres Kleides. »Ich gehe jetzt nach Hause. Das heißt, in meine Pension. Wenn Sie mitkommen wollen, dann mache ich Sie mit jemandem bekannt, der Ihnen vielleicht etwas über Tessie und Ted erzählen kann.«
    »Gerne«, sagte ich. Sie hob den Zipfel eines Tuches über den Käfigen, ich hörte das leise Rascheln von Gefieder, sie sagte: »Gute Nacht, meine Hühnchen«, und dann verließen wir den Raum. Draußen ging sie zielstrebig auf einen der wartenden Einspänner zu. »Abend, Miss Boothe.«
    »Guten Abend, Charley. Ins traute Heim heute.« Sie stieg ein, während ich auf die andere Seite hinüberging. Der Kutscher schnalzte mit der Zunge, ließ die Zügel knallen, und wir fuhren los, die 28th Street in westliche Richtung. »Ich mag keine Automobile«, sagte die Dove Lady. »Sie stinken.«
    »Ja, aber das tun Pferde auch.«
    »Aber sie stinken angenehmer.«
    »Ja.« Das dachte ich eigentlich auch. »Ich mag die Kutschen. Sie sind schön und langsam, sodass man die Dinge wirklich betrachten kann.«
    »Und man hat Zeit zum Nachdenken. Wie heißen Sie?«
    »Simon Morley. Si.«
    »Okay, Si. Ich bin Maude. Maude Boothe.«
    Wir klapperten über das Kopfsteinpflaster unter der Hochbahn der 6th Avenue und der über uns liegenden Haltestelle dahin und fuhren dann hinüber zur 7th Avenue. Als wir in sie einbogen, musste sich auf meinem Gesicht ein Ausdruck des Erstaunens gemalt haben, denn vor uns stand die Penn Station in all ihrer Pracht. Ich lehnte mich noch etwas vor, um sie besser sehen zu können; große hohe Fenster, die in der Nacht hinausleuchteten. »Schön, nicht?«, sagte Maude Boothe. Ich nickte. Oh, ja. »Das letzte Mal bin ich dort angekommen«, sagte sie. »Innen ist sie wunderbar. Wenn man sie so sieht, ist man stolz, in New York zu leben.« Wieder nickte ich; wir fuhren nun daran vorbei, und ich sah der neuen weißen Fassade hinterher.
    Irgendwo in den dreißiger Straßen bogen wir nach Westen in eine Straße mit einem endlos langen Block vierstöckiger brauner Sandsteinhäuser, die alle mehr oder weniger gleich aussahen. Wir blieben vor einem davon stehen, gleich neben einer Straßenlaterne, ich richtete mich auf und machte Anstalten, zu zahlen. Doch sie winkte ab. Ich stieg aus, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Zwei Männer in Pullover und Mütze saßen auf der Treppe und beobachteten uns: der eine eher alt, der andere ungefähr vierzig. Die Droschke entfernte sich und Maude Boothe fragte die beiden: »Habt ihr schon mal von Tessie und Ted gehört?«
    Sie dachten nach und schüttelten den Kopf. »Kannte einmal eine Tessie Burns«, sagte der Alte. »Burns and Burns, die Brennende-Haus-Nummer. Aber Tessie und Ted? Was machen sie?«
    »Gesang und Tanz. Das hier ist Si; er will sie kennenlernen. Si, der Redselige hier, das ist John. Und das Ben, ein Akrobat; Akrobaten können nicht reden.« Sie grinsten und streckten mir die Hand hin. »Ich gehe nach oben und ziehe mich um«, sagte Maude. »Bleiben Sie hier, wenn Sie wollen. Es sind noch andere da; irgendjemand wird Tessie und Ted sicher kennen.« Sie stieg die Stufen hoch. John, der ältere der beiden, sagte: »Setzen Sie sich doch, Si.« Und ich setzte mich zu ihnen auf die Treppe.
    »Die Variety? « – er zeigte auf meine Manteltasche. »Kann ich sie kurz haben?«
    Ich gab sie ihm; zu Ben sagte er: »Das schon gesehen?« Ben schüttelte den Kopf. »Du kennst doch LaMont, LaMonts Papageien?«
    »Ja. Ich bin mit LaMont zusammen aufgetreten. In Des Moines. Eine Vogelnummer. Laute kreischende Viecher. Nicht so wie Maudes Vögel.«
    »Es scheint, er hat hier in Variety ein kleines Problem.« John nahm eine altmodische Brille mit schmalen ovalen Gläsern aus der Hemdtasche, klappte die dünnen Drahtbügel auf und setzte sie sich auf. Eine junge attraktive Frau in Sandalen und einem langen gemusterten Kimono mit weiten Ärmeln trat aus dem Haus, setzte sich auf das obere Geländer, holte aus einer Tasche ihres Gewandes ihr Strickzeug heraus und begann zu stricken. »Dolores«, sagte John, »das hier ist Si.« Sie lächelte mir freundlich zu, ich nickte und versuchte, ein ebenso liebenswürdiges Lächeln zustande zu bringen. John

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