Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Finney
Vom Netzwerk:
Vereinigten Staaten, Stadt für Stadt, Theater für Theater, Hunderte von kurzen und doch detaillierten Berichten – von Lokalreportern geschrieben, die, wie ich mir vorstellte, von Variety schlecht bezahlt wurden. Schließlich fand ich Cleveland, O., dann, weit unten in der Mitte der langen Spalte: Grand (J. H. Michel, mgr; Agent, U. B. O.: Montagsvorstellung 10) – Don Fabio, guter Schlangenmensch, Miller and Mack, annehmbarer Gesang und Tanz; Frank Rutledge and Co., Darstellung von Grace Cambridge in ›Our Wife‹, gefiel; Onri Orthorpe and Co., spektakuläre Tänzer; Sam Morris, deutscher Monolog, fand kaum Anklang; Four Bucks, gute Radfahrer.
    Dann streckte ich mich wieder aus und dachte über Sam Morris nach, der nach unten eilte, um sofort seine Variety zu kaufen, sobald die Zeitungen beim Zeitschriftenstand in seinem Hotel waren. Nahm sie mit in eine Ecke der Lobby, wo er all die Seiten mit den klein gedruckten Kritiken, schließlich Cleveland und endlich das Grand fand, und dann seinen eigenen Namen … gefolgt von den drei vernichtenden Worten fand kaum Anklang. Es fiel nicht schwer, sich sein Gesicht vorzustellen – Schmerz, Wut, vielleicht Angst. Dann zum Schreibtisch in der Lobby, die kurze Mitteilung, die er zum Grand trug und jedem Künstler der Vorstellung zeigte (›Klar, Sam, unterzeichne ich gern. Lass dich von diesem Provinzheinis nicht fertigmachen!‹). Schließlich ging Sam Morris sogar zum Bühnendirektor, damit auch er seinen Protestbrief unterzeichnete. Ein hartes Leben. Oh Tessie und Ted.
    Immer noch nicht zehn Uhr; die Zeit war wie eingefroren, Einstein hatte recht. Ich überlegte, ob ich nicht den Gang entlangschlendern, an die Tür des Jotta Girls klopfen und sagen sollte: »Hallo! Fragte mich gerade, was Sie so tun?« Aber Julia wäre damit nicht einverstanden gewesen. Ebenso wenig Willy. Rover hätte es wahrscheinlich in Ordnung gefunden, aber seine moralischen Ansichten standen hier nicht zur Debatte; also blieb ich einfach liegen und dachte an England.
    Nach einer Weile stand ich auf und sah zum Fenster hinaus. Der Himmel war einen Blick wert: klar und sauber, ein schönes tiefes Blau, das sich über dem Park wölbte, und drüben im Westen, über dem Hudson, ein letzter Rest vom Licht des Tages, der einfach nicht vergehen wollte. Und dann, hinter der Ecke zur 5th, das heisere Quäken einer dieser birnenförmigen Gummihupen. L’heure bleu, verheißungsvoll; ich öffnete das Fenster, lehnte mich in diese junge Nacht hinaus und war glücklich.
    Endlich wurde es doch noch zehn Uhr. Ich ging hinunter, ohne Hut und ohne Mantel. Mich fröstelte ein wenig, doch dagegen konnte ich jetzt leider nichts unternehmen. Vor den Eingangsstufen des Plaza lief ich auf und ab und nahm schließlich ein Taxi, ein rotes, hinunter zum Madison Square.
    Der Broadway und die 5th Avenue kreuzen sich unterhalb des Madison Square und bilden an der 23rd Street ein riesiges X, sodass der Broadway plötzlich östlich der 5th verläuft. Und die Spitze des Dreiecks ist dieses eigenartige Gebäude, das Flatiron Building, das genau in den Zwischenraum passte. Die Umgebung, tagsüber gnadenlos lärmend, war nun um halb elf Uhr nachts fast still. Ich konnte meine eigenen Schritte auf dem Pflaster hören, während ich die 5th Avenue an der Westseite des Gebäudes entlangging. Als ich dann um die schmale Spitze – den Bug – des Gebäudes bog, konnte ich in nördlicher Richtung die fernen Lichter des nächtlichen Broadway mit seinen Hotels und Theatern erkennen. Aber auf der anderen Seite des Bugs, in südlicher Richtung des Broadway, lagen nur dunkle Geschäftsfassaden und wie ausgestorben wirkende Bürogebäude.
    Ein guter Treffpunkt, aber es hatte lange genug gedauert, bis ich ihn herausgefunden habe, und nun reichte es mir; es gab sowieso nichts mehr, das ich hier erfahren konnte. Also um die breite Rückseite des Gebäudes herum und wieder nach Norden zu seiner Spitze, aber dann setzte ich – in Höhe des kleinen Geschäfts im Erdgeschoss des abgerundeten Bugs – meinen Weg über den Broadway hinüber bis zu dem dunklen Grün des Madison Square fort. Dort ließ ich mich auf einer Bank nieder und betrachtete nachdenklich das Flatiron Building.
    Nein: Es gab keine Möglichkeit, an die Männer heranzukommen, die dort drüben an der Mauer des Gebäudes auf dem verlassenen Gehweg stehen würden. Konnte ich vielleicht, als nächtlicher Spaziergänger, einfach an ihnen vorbeischlendern und wie von ungefähr in

Weitere Kostenlose Bücher