Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
schön. Aber wir haben hier keinen Club der einsamen Herzen, und niemand von uns gibt ihnen noch eine Chance, dass sie es wirklich schaffen. Also haben wir dem Ganzen einen Riegel vorgeschoben, die Regel lautet jetzt: Verbringen Sie die Zeit mit den anderen Kandidaten, wenn Sie sie sehen, aber keine Vertraulichkeiten. Okay?«
»Klar, nachdem ich für die Charleston-Tänzerin sowieso schon zu spät dran bin.« Wir fuhren mit dem Fahrstuhl hinunter – es war zehn nach fünf – und gingen in die Stadt; im Algonquin ließen wir uns auf einen Drink nieder.
Eines Morgens lehrte mich Doc Rossoff in seinem Büro die Technik der Selbsthypnose. Es war überraschend einfach, zumindest die Theorie. Er ließ mich in seinem großen grünen Ledersessel Platz nehmen und sagte: »Schließen Sie die Augen, wenn Sie wollen, es ist aber nicht unbedingt notwendig.« Ich schloss sie. »Und nun sagen Sie sich, dass Sie sich angenehmer und immer angenehmer fühlen, dass Sie sich immer mehr entspannen, körperlich wie geistig. Und lassen es wahr werden. Reden Sie sich ein, dass Sie langsam, aber stetig in Trance versinken. Eine leichte Trance, noch sind Sie wach und nehmen alles wahr. Lassen Sie sich vom Wort ›Trance‹ nicht einschüchtern; es ist nur der Begriff für einen Zustand erhöhter Bereitschaft zur Suggestion. Nichts Mysteriöses. Schließlich, wenn Sie glauben, so weit zu sein, sagen Sie sich einfach, dass Sie unter Selbsthypnose stehen. Dann testen Sie sich: reden Sie sich ein, dass Sie zeitweilig unfähig sind, den Arm zu heben. Versuchen Sie es; wenn Sie es nicht schaffen, dann befinden Sie sich in Trance. Dann können Sie jede selbsthypnotische Suggestion ausprobieren. Haben Sie Kopfschmerzen, sagen Sie sich einfach, dass Sie bis fünf zählen, und die Kopfschmerzen verschwinden, noch bevor Sie mit dem Zählen fertig sind. Oder Sie können Gedanken, Gefühle, Erinnerungen auslöschen und sie später durch posthypnotische Suggestion wieder zurückrufen. Okay? Es ist wirklich ein bemerkenswertes Werkzeug.«
Ich nickte, und er ließ mich allein, damit ich es versuchen konnte. Ich tat, was er gesagt hatte, und fühlte mich wunderbar entspannt. Schließlich suggerierte ich mir, allmählich in Trance zu fallen, in eine leichte Trance, und ich glaubte, es spüren zu können. Ich saß bewegungslos, fast schläfrig im Sessel und sagte mir, dass ich meinen Arm nicht mehr heben könnte, dass ich keine Kraft mehr hätte, ihn zu bewegen. Dann, die Augen auf den Ärmel gerichtet, versuchte ich ihn zu heben, und er sprang mir fast ins Gesicht, als er nach oben schnellte.
Ich versuchte es erneut, nahm mir mehr Zeit, spürte, wie sich jeder Muskel entspannte; der einzige Körperteil, der nicht wusste, dass ich unter Hypnose stand, war mein Arm; er sprang jedes Mal hoch, wie ein treuer, dummer Hund, der einen Trick nicht ganz versteht. Schließlich kam Rossoff zurück, hörte sich meine Geschichte an und sagte, ich solle es zu Hause weiter versuchen, vor allem dann, wenn ich wirklich müde und schläfrig sei.
Eines Morgens ließ Martin Lastvogel eine Projektionsleinwand über der Tafel des Klassenzimmers herunter, hinter uns stand ein Diaprojektor. Wir saßen nebeneinander, Martin hielt die Fernbedienung in der Hand. Er drückte auf einen Knopf, die Kühlung des Projektors sprang an, und ein abgerundetes Lichtquadrat, das an den Rändern unscharf war, füllte den größten Teil der Leinwand aus. Ein weiterer Klick, und das Quadrat verwandelte sich in eine scharfe Schwarz-Weiß-Zeichnung: einen altmodischen Holzschnitt. Eine Straßenszene, sehr belebt – aus den Achtzigern, nahm ich an. Kutschen, Fuhrwerke, Fußgänger waren zu sehen. Das Bild war gut gemacht, der Künstler verstand sein Handwerk, allerdings in einem Stil, der mindestens seit einem halben Jahrhundert nicht mehr benutzt wurde. »Wahrscheinlich nach einer Fotografie gefertigt«, sagte Martin leise; unbewusst hatte er seine Stimme gesenkt, wie es Leute im Dunkeln tun. »Viele Holzschnittillustrationen wurden nach Fotografien angefertigt, bevor es das Lichtdruckverfahren gab. Demnach siehst du hier die absolut akkurate Darstellung eines wirklichen Augenblicks. Zumindest so, wie es den Leuten zu der Zeit erschien. Mithilfe dieser Holzschnitte wurden in der wöchentlich erscheinenden Illustrierten solche Szenen für die Menschen fast lebendig.«
Das war nun mein Fachgebiet, und ich sagte: »Aber das entspricht nicht dem, was wir als Realität wahrnehmen. Das Bild
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