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Zelot

Zelot

Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen». Fortan wollte er nur noch den Heiden predigen, denn «sie werden es hören» (Apg  28 , 27 ; 29 ).
    Es gibt keine Aufzeichnungen über diese letzten Jahre im Leben von Petrus und Paulus, jenen beiden Männern, die zu den bedeutendsten Figuren des Christentums werden sollten. Seltsamerweise beschließt Lukas seinen Bericht über das Leben des Paulus mit dessen Ankunft in Rom und erwähnt dabei nicht, dass sich Petrus ebenfalls in der Stadt aufhielt. Noch seltsamer ist, dass er das wichtigste Ereignis ihrer gemeinsamen Jahre in der kaiserlichen Stadt einfach weglässt. Im Jahre 66  n. Chr. nämlich, also in dem Jahr, in dem die Unruhen in Jerusalem ausbrachen, reagierte Kaiser Nero auf eine plötzliche Welle der Christenverfolgung in Rom damit, dass er Petrus und Paulus verhaften und hinrichten ließ. Er nahm an, beide verträten denselben Glauben. Er irrte sich.

Kapitel fünfzehn
Der Gerechte
    Jakobus, der Bruder Jesu, wurde «Jakobus der Gerechte» genannt. In Jerusalem – der Stadt, die er nach dem Tod seines Bruders zu seiner neuen Heimat erwählt hatte – war Jakobus aufgrund seiner großen Frömmigkeit und seines unermüdlichen Einsatzes für die Armen allseits geachtet. Er selbst besaß nichts, nicht einmal die Kleider, die er am Leibe trug, einfache Gewänder aus Leinen, nicht aus Wolle. Er trank keinen Wein und aß kein Fleisch. Er badete nicht. Er rasierte sich nicht, schnitt sich nicht die Haare und rieb sich auch nicht mit Duftöl ein. Es hieß, er verbringe so viel Zeit damit, Gott in Demutshaltung um Vergebung für die Menschen zu bitten, dass seine Knie hart wie die eines Kamels geworden seien.
    Für die Anhänger Jesu war Jakobus das lebende Bindeglied zum Messias, das Blut des Herrn. Für alle anderen in Jerusalem war er einfach nur «der Gerechte». Sogar die jüdische Obrigkeit pries Jakobus für seine Rechtschaffenheit und seine unerschütterliche Befolgung der Gesetze. War es nicht Jakobus, der den ketzerischen Paulus für seinen Abfall von der Tora verurteilt hatte? Hatte nicht er den ehemaligen Pharisäer gezwungen, seine Ansichten zu widerrufen und sich einer Reinigung im Tempel zu unterziehen? Seitens der Obrigkeit anerkannte man Jakobus’ Botschaft von Jesus vielleicht nicht mehr als die des Paulus, aber man respektierte Jakobus und betrachtete ihn als aufrechten und ehrenhaften Mann. Dem frühchristlichen Historiker Hegesippus ( 110 – 180  n. Chr.) zufolge baten die jüdischen Machthaber Jakobus wiederholt, seinen Einfluss bei den Menschen zu nutzen und sie davon abzubringen, Jesus «Messias» zu nennen: «Wir bitten dich, dem Volke Einhalt zu gebieten; denn es ließ sich von Jesus verführen, da es ihn für den Messias hält. Wir bitten dich: Kläre alle, die zum Osterfeste gekommen sind, über Jesus auf! Dir schenken wir alle Vertrauen. Denn wir und das ganze Volk geben dir das Zeugnis, dass du gerecht und unparteiisch bist. Rede daher dem Volke zu, dass es sich nicht bezüglich der Person Jesu irreführen lasse!»
    Ihr Ersuchen blieb freilich unbeachtet. Denn obwohl Jakobus, wie ihm jedermann bescheinigte, ein eifriger Diener des Gesetzes war, so war er doch auch ein treuer Anhänger Jesu; nie hätte er das Vermächtnis seines älteren Bruders verraten, nicht einmal, wenn er dafür den Märtyrertod hätte erleiden müssen.
    Die Geschichte von Jakobus’ Tod findet sich in Josephus’
Jüdische Altertümer
. Es war im Jahre 62  n. Chr. Ganz Palästina versank in Anarchie, die Felder lagen brach, und die Bauern verhungerten. In Jerusalem herrschte Panik, da die Sikarier willkürlich mordeten und brandschatzten. Der revolutionäre Eifer der Juden geriet zusehends außer Kontrolle, obwohl sich die priesterliche Klasse spaltete, auf die sich Rom zur Aufrechterhaltung der Ordnung stützte. Die reichen Priester hatten einen Plan ausgeheckt, sich die Zehntabgaben anzueignen, die eigentlich für den Unterhalt der niederen Klasse der Landpriester gedacht waren. Gleichzeitig machte eine ganze Reihe unfähiger römischer Präfekten – von dem hitzköpfigen Cumanus über den Halunken Felix bis hin zu dem glücklosen Festus – alles nur noch schlimmer.
    Als Festus unerwartet und ohne sofortigen Nachfolger verstarb, stürzte Jerusalem vollends ins Chaos. Kaiser Nero erkannte den Ernst der Lage und entsandte einen gewissen Lucceius Albinus, um die Ordnung in der Stadt wieder herzustellen. Es dauerte jedoch Wochen,

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